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Patriot-Lieferverzögerung Warten auf die Patriots – Kritik und Verständnis in der Schweiz

Die Schweiz muss länger auf ihre bestellten Patriot-Raketen warten. Das sorgt für Unmut in der Schweiz, aber nicht nur.

Es war eine Hiobsbotschaft, die die Schweiz nur ungern zu hören bekam: Weil die USA die Ukraine wieder stärker unterstützen wollen, muss die Schweiz länger auf ihre bestellten Patriot-Raketen warten.

US-Präsident Donald Trump hatte letzte Woche bekanntgegeben, dass Länder, die Waffensysteme an die Ukraine abgäben, rasche Nachlieferungen erhalten sollen. Die Schweiz muss nun hinten anstehen und warten.

Vorauszahlungen ohne Liefergarantie

Der Bund hat jedoch bereits Anzahlungen in Höhe von rund 650 Millionen Franken getätigt, wie das Bundesamt für Rüstung Armasuisse dem «Tagesanzeiger» auf Anfrage mitteilte. Das ist mehr als ein Viertel der Vertragssumme von knapp zwei Milliarden Franken.

Garantien zum Liefertermin gebe es im Gegenzug offenbar keine, schreibt der «Tagesanzeiger». Laut Armasuisse könne die US-Regierung gemäss den Vertragsbedingungen die Lieferprioritäten anpassen.

Militärische Raketenabschussvorrichtung vor bewölktem Himmel.
Legende: Fünf Patriot-Systeme hätte die Schweiz bis 2028 erhalten sollen. REUTERS/Kuba Stezycki

Eine vertragliche Verspätungstoleranz gebe es auch keine. Anders gesagt: Die USA können sich so lange Zeit lassen, wie sie wollen. Ursprünglich sollten die ersten Patriot-Systeme 2027 geliefert werden, sodass die Schweiz bis 2028 alle fünf erhalten hätte. Dies hatte der Bund vor drei Jahren mit der US-Regierung vereinbart.

«Patriot-Systeme haben absolute Priorität»

Dass sich die Lieferung verzögert, kommt in der Politik unterschiedlich an. SVP-Ständerat Werner Salzmann sieht es kritisch: «Die Schweiz kann derzeit aus der Luft angegriffen werden. Deshalb haben die Patriot-Systeme absolute Priorität.»

Das Patriot-Raketenabwehrsystem kurz erklärt

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Patriot («Phased Array Tracking Radar for Intercept on Target») zählt zu den modernsten Flugabwehrsystemen der Welt. Feindliche Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper werden damit bekämpft. Auf eine Entfernung von etwa 100 Kilometern und bis in Höhen von 30 Kilometern können die Abwehrraketen in einer gedachten Glocke um die Stellung Ziele treffen – abhängig vom eingesetzten Lenkflugkörper.

Es wurde in den 1980er Jahren modifiziert, um es an die neue Bedrohung durch taktische ballistische Raketen anzupassen. Das System bewies ihre Wirksamkeit im ersten Irak-Krieg gegen Scuds aus russischer Produktion.

Der Bund müsse nun handeln. «Erstens muss er darauf beharren, dass sie uns geliefert werden. Wenn das nicht möglich ist, muss er mindestens diesen Nachteil, den die Amerikaner schon wieder verursachen, in die Waagschale werfen, um den umstrittenen Fixpreis beim F-35-Jet durchzubringen.» Vor einem Monat haben die USA für die neuen F-35-Kampfjets einen höheren Preis von bis zu einer Milliarde Franken gefordert. Der Bund habe da nun einen Trumpf in der Hand, so Salzmann.

Für SP-Ständerätin Franziska Roth hat Donald Trump richtig entschieden. «Die Schweiz braucht die Patriots nicht, die Ukraine aber dringend. Wenn sie unsere Patriots bekommt, erhöht sich auch unsere Sicherheit, denn die Ukraine verteidigt auch unsere Werte.»

Bund soll Austritt aus Patriot-Vertrag prüfen

Die Patriot-Systeme würden 600 Kilometer weit schiessen. Ein solches Szenario sei in der Schweiz unwahrscheinlich, so Roth. «Viel dringender ist, dass wir unsere Boden- und Luftverteidigung im Land stärken.» Der Bund solle deshalb prüfen, aus dem Patriot-Vertrag auszusteigen und die verbleibenden 1.65 Milliarden Franken für die Abwehr von Drohnen und für die Sicherheit einzusetzen, sagt Roth.

Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller entgegnet, die Schweiz brauche diese Abwehrsysteme. «Die Schweiz ist ein Land, das verteidigt und nicht angreift, deshalb brauchen wir die Abwehrsysteme für diese Waffen.»

Es sei ein folgerichtiger Entscheid, dass die USA zuerst dort Waffen liefern würden, wo es auch brenne, doch nun müsse die Schweiz aufwachen, sagt Binder-Keller. «Der Entscheid zeigt die Dringlichkeit, dass der Bund endlich handeln muss, um die Wiederausrüstung zu gewährleisten. Wir haben eine Friedensdividende von 140 Milliarden. Diese müssen wir in möglichst schneller Zeit aufholen.»

Tagesschau, 19.7.2025, 18 Uhr

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