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Pestizid im Trinkwasser Grenzwert ums 22-fache überschritten

  • Die «Rundschau» hat die Trinkwasserproben auf Rückstände des Pestizids Chlorothalonil untersuchen lassen.
  • Bei neun von zehn Proben liegen die gemessenen Rückstände über dem gesetzlichen Grenzwert von 0.1 Mikrogramm.
  • Das Trinkwasser in der Berner Gemeinde Kappelen überschreitet den Grenzwert um das 22-fache.
  • Laut dem Schaffhauser Kantonschemiker Kurt Seiler kann das Wasser trotzdem «bedenkenlos» getrunken werden.

Das Wasser im Dorf Kappelen im Berner Seeland ist massiv mit Pestizidrückständen belastet: Die «Rundschau» hat einen Wert von 2.2 Mikrogramm gemessen. Der Grenzwert für solche Rückstände liegt bei 0.1 Mikrogramm. Das Kappeler Wasser ist also 22 Mal zu stark belastet.

Die «Rundschau» hat die Proben im Januar im landwirtschaftlich intensiv genutzten Mittelland erhoben. Getestet wurde Wasser direkt ab Wasserhahn. So, wie es die Konsumenten täglich trinken.

Mehrere Proben deutlich über dem Grenzwert

Ein Schweizer Labor hat die Proben auf die zwei häufigsten Abbauprodukte (Sulfonsäure R417888 und Sulfonsäure R471811) des Pestizids Chlorothalonil untersucht. Der Laborbefund: Bei neun von zehn Proben liegen die Rückstände bei mindestens einem Abbauprodukt über dem gesetzlichen Grenzwert.

Neben Kappelen war das Wasser auch in Neuendorf (SO) und in Hendschiken (AG) besonders stark belastet. In beiden Dörfern ist zu viel Sulfonsäure R471811 im Trinkwasser. In Neuendorf elfmal so viel und in Hendschiken rund achtmal so viel wie erlaubt.

Salatanbau im Seeland
Legende: Die Landwirtschaft ist für das Trinkwasser oft belastend (Symbolbild) Keystone

Keine unmittelbare Gesundheitsgefahr

«Das ist ein sehr hoher Wert. Der muss runterkommen, aber so schnell werden wir diese Abbauprodukte wohl nicht mehr los», sagt der Schaffhauser Kantonschemiker Kurt Seiler zum Kappeler Wasser. Er gilt als der beste Kenner der Chlorothalonil-Problematik.

Dieser Wert muss runterkommen.
Autor: Kurt Seiler Kantonschemiker SH

Er betont aber auch: «Es besteht keine Gesundheitsgefährdung. Dieses Wasser kann bedenkenlos getrunken werden.» Trotzdem sei es wichtig, nun dafür zu sorgen, dass so etwas nicht mehr passieren könne. Denn laut Kurt Seiler verlangt das Lebensmittelrecht qualitativ gutes und gesundes Trinkwasser.

Syngenta reicht Beschwerde ein

Der Stoff Chlorothalonil gilt als «möglicherweise krebserregend». Deshalb hat der Bund das Pestizid auf den 1. Januar 2020 verboten. Syngenta hat beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen das Verbot eingereicht. Laut Syngenta ist Chlorothalonil «weit weniger krebserregend» als zum Beispiel Sonnenlicht, Alkohol oder rotes Fleisch.

Das Verbot des Pestizides sei «nicht nachvollziehbar» und deshalb sei auch der Grenzwert von 0.1 Mikrogramm für die Abbauprodukte im Trinkwasser zu streng. Die im Wasser gemessenen Zerfallsprodukte hätten «keine negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt», so Syngenta.

Millionenkosten für die Wasserversorger

Die Gemeinden haben nun zwei Jahre lang Zeit, das Problem zu lösen. Damit die gesetzlichen Grenzwerte im Mittelland eingehalten werden können, müssen viele Wasserversorger hohe Investitionen tätigen. In Kappelen baut die Gemeinde eine neue Leitung, um sauberes Wasser aus dem Nachbardorf zu beziehen. Schweizweit dürfte die Sanierung dutzende Millionen Franken kosten.

Regionaljournal AG/SO, 26.5.2020, 06:30

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