B.U. und K.K. haben den Spitex-Schwindel zum Platzen gebracht: Die beiden Polinnen waren während längerer Zeit für die Schweizer Firma tätig. Die Spitex Seeblick hat sie als so genannte Live-in-24h-Betreuerinnen an Privathaushalte verliehen. Dort mussten sie rund um die Uhr arbeiten. «Ich arbeitete nonstop, sieben Tage die Woche, ohne Pause», sagt Betreuerin B.U.. Die Spitex Seeblick habe ihr gesagt, das sei normal in der Schweiz. Den Lohn zahlte die Spitex Seeblick den Frauen bar auf die Hand: Pro Monat 3000 Franken.
Mutmasslicher Betrug gegenüber Krankenkasse
Doch im Hintergrund kassierte die Spitex Seeblick für die Arbeit der Frauen zusätzlich. Dies belegen Abrechnungen, die «Kassensturz» vorliegen. So verrechnete die Spitex einem Kunden für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung 3500 Franken. Zusätzlich rechnete die Spitex die Arbeit der Frauen unzulässigerweise mit der Krankenkasse ab. Denn: Die Betreuerinnen hatten keine anerkannten Pflege-Ausbildung. Die Spitex Seeblick leitete die beiden Polinnen an, in den Privathaushalten Pflegerapporte auszufüllen. Seeblick rechnete aufgrund dieser Unterlagen mit der Krankenkasse ab.
Spitex Seeblick entschuldigt sich
Die Spitex Seeblick ist eine der grösseren Privat-Spitex, die von den Krankenkassen anerkannt ist. Besitzer ist der ehemalige Luzerner SP-Kantonspolitiker Lathan Suntharalingam. Gegenüber «Kassensturz» nahm nicht er zu den Vorwürfen Stellung, sondern der Geschäftsführer Jananan Nadesalingam. Er entschuldigt sich für die falschen Abrechnungen: Es seien Fehler passiert, und sie seien bereit, den Krankenkassen alles Geld zurückzuzahlen.
Behörde angelogen
Doch nicht nur gegenüber der Krankenkasse hat die Privatspitex Seeblick unzulässig getrickst: Auch gegenüber Behörde und Kontrollstelle hat die Firma verschleiert, dass sie Live-in-24h-Betreuerinnen beschäftigt und verleiht. Die Frauen waren in der Schweiz nie korrekt angemeldet und mussten sogar Behörden anlügen. Die Firma Seeblick entschuldigt sich auch dafür, die Angestellten würden jetzt korrekt angemeldet.
Gefälschte Unterschriften
Die Kontrollstelle des GAV Personalverleihs, die Paritätische Kontrollstelle GAV Vollzug, hat die Spitex Seeblick im letzten Jahr geprüft. Noch sei das Verfahren hängig, sagt die Kontrollstelle, darum könne man zurzeit keine Aussagen machen. Doch «Kassensturz» verlangt mit der Vollmacht der Frauen die dort hinterlegten Dokumente heraus.
Service
Schnell ist klar: Die Privatspitex Seeblick hat auch die Kontrollstelle hinters Licht geführt. Beinahe sämtliche gegenüber der Kontrollstelle gemachten Angaben zu den Frauen sind falsch. Auch die Lohnabrechnungen und Arbeitsverträge entsprechen nicht der effektiv geleisteten Arbeit. Die Spitex Seeblick hat die Unterschriften der Frauen gefälscht. Auch dies gibt Geschäftsführer Jananan Nadesalingam gegenüber «Kassensturz» zu: Da die richtigen Verträge nicht mehr auffindbar gewesen seien, hätte eine mitarbeitende Person neue Verträge ausgedruckt und gleich selber unterschrieben.
Die Betreuerinnen sind fassungslos. «Ich dachte, das ist eine grosse, gute Schweizer Firma», sagt B.U.. «Doch jetzt, wo ich alles weiss, kommt es mir nur noch falsch vor. Alles, was die Firma hier mit mir gemacht hat, ist falsch».