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Pflegeheim in Schaffhausen Heimleiterin sitzt in Untersuchungshaft

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Schaffhauser Alters- und Pflegeheim «Hand in Hand» sollen die Bewohnerinnen und Bewohner schlecht behandelt worden sein.
  • Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Delikten gegen Leib und Leben sowie Urkundenfälschung.
  • Ehemalige Pflegerinnen erzählen, bei einem Notfall habe es die Leiterin unterlassen, einen Arzt zu holen – die Patientin sei verstorben.
  • Ein ehemaliger Bewohner sagt gegenüber der «Rundschau», die Leiterin habe ihn ausgesperrt und in der Kälte stehen lassen.

Armin Schmidlin war einer der sechs Bewohner im Heim «Hand in Hand». Er ist froh, dass das Pflegeheim, nachdem es Insolvenz angemeldet hatte, durch die Behörden geschlossen wurde. Es sei zwar schön gewesen, in der umgebauten Villa zu wohnen. Aber das Heimleiter-Ehepaar sei unerträglich gewesen. Es habe ihn oft gedemütigt.

Haus von aussen
Legende: Alters- und Pflegeheim «Hand in Hand», Hemmental SH SRF

«Als ich einmal den Bus verpasst hatte, liess mich die Leiterin eine halbe Stunde vor dem Haus stehen», sagt der MS-kranke Mann, der im Rollstuhl sitzt. «Durch das Fenster sah ich, wie die Leiterin im Warmen sitzt und Fernsehen schaut. Sie wollte mich für das Zuspätkommen bestrafen.»

Doch auch strafrechtlich relevante Anschuldigungen stehen im Raum. Pflegerinnen berichten von einem Fall, in dem eine Bewohnerin mit einer Blutvergiftung immer schwächer geworden sei. Sie hätten dringend einen Arzt holen wollen – was die Heimleiterin verhindert habe. Diese ist nun in Untersuchungshaft. Ermittelt wird wegen Delikten gegen Leib und Leben. Den Fall aufgerollt hatte die Schaffhauser AZ, nach monatelangen Recherchen.

In finanzieller Schieflage

Co-Heimleiter Claus Heuscher weist diese Vorwürfe zurück. Er sagt gegenüber der «Rundschau», er sei sich keiner Schuld bewusst. Von den genannten Vorfällen wisse er nichts, er sei für die Finanzen zuständig gewesen und habe mit der Pflege nichts zu tun gehabt. Der Bankkaufmann und die Krankenschwester aus dem Schwäbischen hatten in Schaffhausen ein kleines Wohn- und Pflegeheim gegründet. Bald geriet es in finanzielle Schieflage. Das Heim zahlte die Löhne der Angestellten nicht mehr pünktlich, im September ging es Konkurs.

Dokumentationen gefälscht

Zwei ehemalige Pflegerinnen, mit denen die «Rundschau» gesprochen hat, sind seither in psychiatrischer Behandlung. Sie werfen dem Leitungs-Paar vor, fiktive Leistungen abgerechnet zu haben: «Wenn nachts wenig los war, wurden wir gezwungen, am nächsten Tag Arbeiten aufzuschreiben, die wir gar nicht gemacht haben», sagt eine von ihnen. «Hätten wir die Pflegedokumentationen nicht gefälscht, drohte die Leiterin, uns zu entlassen.» Auch von diesen angeblichen Urkundenfälschungen hat Heuscher laut eigenen Aussagen keine Kenntnis.

Pflegerinnen und Bewohner hatten sich mehrmals mit Beschwerden ans Gesundheitsamt gewandt – ohne Erfolg. In den Antwortschreiben hiess es zwar, es würden ab sofort «engmaschige Kontrollen» durchgeführt. «Wir sind im Heim vorbeigegangen, haben Kontrollen durchgeführt und Dokumente eingefordert», sagt Amtsleiter Walter Vogelsanger. Gröbere Verstösse hätten die Beamten aber nicht entdeckt.

Für die beiden Heimleiter gilt die Unschuldsvermutung. Nun soll eine externe Untersuchung klären, ob die Behörden genug unternommen haben. Ziel ist, Fälle von unterlassener Hilfeleistung künftig rechtzeitig zu entdecken. Für Armin Schmidlin kein Trost. Es hat ihm am alten Ort gefallen. Er würde gern in die Villa zurück – allerdings nur unter einer neuen Leitung.

SRF Rundschau, 27.10.2021, 20:05 Uhr

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