Im ehemaligen Direktorenhaus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Solothurn wohnen sechs verwahrte Straftäter in einer Wohngemeinschaft. Es sind schweizweit bekannte Fälle. Die Täter gingen brutal und skrupellos vor. Sie erhielten lange Haftstrafen, die sie abgesessen haben. Danach begann die Verwahrung, zum Schutz der Gesellschaft müssen sie hinter Gittern bleiben.
Die Strafvollzugsbehörden versuchen seit Jahren eine Antwort auf die Frage zu finden: Wie soll eine menschenwürdige Haft von Verwahrten aussehen?
Die Gefängnis-WG in Solothurn ist ein Lösungsansatz. Sie startete vor drei Jahren als Pilotprojekt. Die verwahrten Männer haben seltene Privilegien: So dürfen sie selbstständig waschen, telefonieren – wann immer sie wollen. Sie dürfen auch kochen und unter Aufsicht im Internet surfen. Die WG hat sogar einen Garten.
Innerhalb des Gefängnisses sind wir privilegiert.
Die «Rundschau» besucht Marcel (Name geändert) in der Solothurner Gefängnis-WG. Seit fast 25 Jahren ist er hinter Gittern – wegen Mordes, wie er selbst sagt. In der WG in Solothurn geniesst er Freiheiten, die in anderen Anstalten nicht möglich wären. Beispielsweise durfte Marcel seine Zelle selbst einrichten. Sie sieht fast wie ein normales Zimmer aus.
«Innerhalb des Gefängnisses sind wir privilegiert. Wir dürfen auch sagen, wo wir arbeiten möchten», sagt der verwahrte Straftäter. Marcel leert täglich alle Aschenbecher auf dem Areal der JVA Solothurn: «Ich mache das gerne, denn ich treffe andere Menschen und habe viel Bewegung. Ein Schwätzchen hier, eines dort – das ist gut.» Er ist sich bewusst, dass solche Freiheiten für Verwahrte auch umstritten sind. Doch wer seine Strafe abgesessen habe, solle auch von Erleichterungen profitieren, findet Marcel.
Es kann nicht sein, dass die einen das haben und die anderen nicht.
Andreas (Name geändert) hat sich mit einer Beschwerde seinen Platz in der WG erkämpft. Das Bundesgericht entschied zudem, der Kanton müsse prüfen, ob sein Verwahrungsaufenthalt in anderen Gefängnissen menschenrechtskonform gewesen sei. Ein wegweisender Entscheid für die Schweiz.
Wenn es nach Andreas gehen würde, sollten alle Verwahrten in einer Gefängnis-WG wie in Solothurn leben können: «Wegen der Gleichbehandlung. Es kann nicht sein, dass die einen das haben und die anderen nicht.»
Ein WG-Platz kostet 600 Franken pro Tag
Anders sieht es der Direktor der JVA Solothurn, Charles Jakober. Nach dem Verbüssen der Strafe müsse sich zwar tatsächlich etwas ändern und es sei nur fair, wenn die Justizbehörde versuche ein anderes Setting innerhalb eines sicheren Rahmens aufzubauen. Es werde aber nie für alle rund 150 Verwahrten in der Schweiz eine perfekte Lösung geben. Denn nicht alle seien in der Lage, in einer solchen WG zu leben.
Ein Platz in der Verwahrten-WG kostet fast 600 Franken pro Tag. Das ist doppelt so viel wie im normalen Strafvollzug. Das habe mit der Grösse der Wohngruppe zu tun, erklärt Direktor Jakober: «Es sind sechs Plätze und wenn man die ganze Sicherheitsinfrastruktur, das ganze Sicherheitspersonal und den Betreuungsschlüssel anschaut, dann wird es teurer.»
Marcel ist zufrieden mit seinem Leben in der Gefängnis-WG. Seine Vollzugsbehörde prüfte auch, ihn in eine offene Anstalt zu verlegen. Doch sie kam zum Schluss, dass er dort überfordert wäre. Macht ihm der Gedanke keine Angst, in der JVA Solothurn zu sterben? «Nein, absolut nicht.»