Die Grünliberalen sind im Hoch und können gestärkt in den nationalen Wahlkampf einsteigen. Vor vier Jahren sah es ganz anders aus: Bei den Wahlen im Jahr 2015 stürzte die Partei regelrecht ab. Sie galt als kalt und herzlos. Die Politiker wurden als Technokraten bezeichnet, die das Wahlvolk nicht erreichten.
Der «Excel-Politiker», ein Kalkulator wurde der ehemalige Parteipräsident Martin Bäumle genannt. Eine «blutleere» Partei , sagte der Politbeobachter Michael Hermann vor fünf Jahren. Seither hat sich einiges verändert.
Von den Nerds zu den Hipstern
Im Jahre 2019 ist alles anders: Die GLP gewinnt wieder Wahlen, ist plötzlich hip bei Jungen und bei den Frauen. Corina Gredig ist eines dieser jungen, weiblichen Gesichter der GLP. Die 31-Jährige ist seit Ende letzten Jahres Co-Präsidentin der Grünliberalen im Kanton Zürich.
Sie will die Art, wie die GLP Politik macht, ändern: «Vielleicht hat man vor zehn Jahren einfach einen Vorstoss eingereicht. Damit hatte es sich. Heute reichen wir nicht nur einen Vorstoss ein, sondern denken uns einen guten Tweet aus, produzieren vielleicht noch ein Video und rufen zu Spenden auf, damit wir möglichst viele Menschen erreichen.»
Corina Gredig leitet auch das so genannte GLP Lab, ein Ideenlabor, offen auch für Nicht-Parteimitglieder. Das Lab soll jenen eine politische Karriere ermöglichen, die keine traditionelle Ochsentour durch die Partei machen wollen. Vorbild sind Bewegungen wie die Operation Libero oder der aussenpolitische Think-Tank Foraus.
Mit diesen Organisationen will sich die GLP in Zukunft verstärkt vernetzen. Auch die Art des Politisierens soll sich ändern. Die Politik soll «erzählen». Nicht mehr nur harte Fakten und kalte Excel-Listen zählen, sondern auch Geschichten.
Gerne Technokrat
Einer, der lieber mit Grafiken und Statistiken argumentiert, ist Nationalrat Thomas Weibel. Er gehört zur Gründergeneration der Grünliberalen. Der 64-jährige Forstingenieur tritt nach zwölf Jahren im Nationalrat ab. Dass man ihn als Technokraten bezeichnete, das störe ihn nicht. «Als naturwissenschaftlich ausgebildeter Ingenieur war das für mich eher ein Lob,» sagt Weibel.
Dass die Partei als kalt und herzlos gilt, könnte auch mit ihren politischen Positionen zu tun haben. Beispiel Sozialhilfe: Da forderte die Zürcher Kantonalpartei, dass der Kanton Zürich aus der der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe Skos aussteige. Bei Corina Gredig klingt das heute anders. Für sie sei ein Austritt kein Thema.
Ein Links-Rutsch?
Vielleicht sind das bloss Nuancen. Doch auch migrationspolitisch könnte es Justierungen geben: Bei Asylthemen stimmten die Grünliberalen oft mit der SVP und der FDP. Hier könnten sich die jungen und urbanen Mitglieder anders positionieren wollen. Doch für Nationalrat Weibel braucht es keine politischen Änderungen.
Zürcher Co-Präsidentin Gredig zeigt sich da offener: «Die nächste Generation übernimmt die Arbeit. Wir sind eine Generation, die sehr digital und mobil ist. Da bringen wir andere Hintergründe mit.» In ökologischen und gesellschaftspolitischen Fragen stimmen die Grünliberalen meist mit den linken Parteien. Aus der Partei wird keine linke Partei. Aber sie könnte sich in einzelnen Sachfragen etwas nach links bewegen.
Und vor allem werden die Grünliberalen Geschichten erzählen wollen: Von einer Partei, die nicht mehr herzlos ist. Die Wählenden werden sich im Herbst überzeugen lassen. Oder auch nicht.