Bei der Präimplantations-Diagnostik (PID) ist nicht nur das Wort kompliziert. Auch das Thema an sich ist alles andere als einfach. Grundsätzlich geht es darum, ob Embryos bei einer künstlichen Befruchtung auf Krankheiten untersucht werden dürfen, bevor sie der Frau eingesetzt werden. So können Embryos beispielsweise auf Trisomie 21 getestet werden – falls das betroffene Paar das wünscht.
Hätte die Abstimmung dazu bereits Ende Mai stattgefunden, so wäre die Vorlage von den Stimmbürgern angenommen worden. Das zeigt die zweite SRG-Umfrage, die das Forschungsinstitut gfs.bern durchgeführt hat: 46 Prozent hätten für die PID gestimmt, 40 Prozent dagegen. Allerdings ist der Anteil Unentschlossener noch immer hoch: 14 Prozent waren sich nicht sicher, ob sie Ja oder Nein stimmen sollten.
Pro-Argumente ziehen eher
Damit hat das Lager der Befürworter zulegen können. Bei der ersten SRG-Umfrage Ende April waren 44 Prozent der Befragten gegen die Vorlage gewesen und nur 40 Prozent dafür. Noch ist aber nichts entschieden, wie die Studienautoren schreiben: Zwar sei ein Ja wahrscheinlicher, doch sei der Ausgang der Abstimmung nach wie vor offen.
Die Umfrage zeigt auch, dass es einen gewissen Widerspruch gibt zwischen den Stimmabsichten und der Zustimmung zu den einzelnen Argumenten: Die Argumente des Ja-Lagers kommen bei den Befragten besser an – und zwar auch bei denjenigen, die Nein stimmen wollen.
Beide Seiten mit guten Argumenten
So finden 77 Prozent, dass es mehr Sinn mache, bereits eine Eizelle auf Krankheiten zu untersuchen, als danach eine Abtreibung vorzunehmen. Auch die Aussage, dass die PID in der Schweiz erlaubt werden sollte, weil Paare sonst für die Behandlung ins Ausland reisen müssen, stösst auf Zustimmung.
Doch auch die Gegner haben ein Argument, das auf beiden Seiten Anklang findet. 61 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass durch die PID die Selektionsgefahr steigt. Sie befürchten also, dass Embryos nicht nur auf Krankheiten untersucht würden, sondern dass Paare künftig auch das Geschlecht oder Aussehen des Kindes bestimmen könnten.
Beide Seiten können also mit Argumenten punkten. Die hohe Zustimmungsrate zu den einzelnen Aussagen zeigt laut den Studienautoren, dass die Befragen «hin- und hergerissen» seien «zwischen dem Nutzen der Präimplantations-Diagnostik und den Vorbehalten gegenüber Missbräuchen.» Die Abstimmung zur PID sei nicht nur politisch, sondern auch persönlich geprägt.
Weitere Vorlagen
Kein links-rechts Graben
Wie die Umfrage weiter zeigt, tendieren diejenigen Personen, die sich gut informiert fühlen, eher zu einem Ja. Wer sich weniger gut informiert fühlt, will eher ein Nein einlegen. Eine weitere Bruchlinie gibt es zwischen fortschrittsfreundlichen und fortschrittskritischen Wählern. Erstere tendieren eher zu einem Ja, letztere zu einem Nein. Parteipolitisch gesehen sind Wähler von SP und FDP mehrheitlich für die Vorlage, diejenigen von SVP und CVP mehrheitlich dagegen.
Gespalten zeigen sich hingegen die Sympathisanten der Grünen: 41 von ihnen hätten Ende Mai Ja gestimmt; 39 Prozent hätten ein Nein eingelegt. Damit zeigt sich ein grosser Unterschied zwischen den Anhängern von Grünen und Sozialdemokraten: Bei den SP-Wählern sind 64 Prozent für die Vorlage.
Weniger gut Gebildete sind neu dafür
Das Vertrauen in die Behörden spielt ebenfalls eine Rolle. Wer den Behörden grundsätzlich skeptisch gegenüber steht, lehnt die Vorlage eher ab: Eine relative Mehrheit von 49 Prozent will ein Nein einlegen. Bei denjenigen, die den Behörden eher vertrauen, tendieren 56 Prozent zu einem Ja.
Eine Spaltung gibt es auch bezüglich der Schulbildung – eine ungewöhnliche allerdings. So sind Befragte mit einer höheren und solche mit einer tieferen Schulbildung eher für die Vorlage. Bei beiden Gruppen ist die Zustimmung seit der ersten Umfrage gewachsen; bei denjenigen mit einer tieferen Schulbildung hat sich das anfängliche Nein in ein Ja gewandelt. Bei den Befragten mit einer mittleren Schulbildung zeigt sich keine klare Präferenz: 42 Prozent sind dafür, 41 Prozent dagegen.