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Prekäre Flüchtlingssituation Warum nehmen Asylanträge aus der Türkei zu?

Die Schweiz erlebt eine Flüchtlingssituation wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Viele Menschen kommen aus der Türkei.

Es herrscht eine prekäre Flüchtlingssituation in der Schweiz vor. Die Flüchtlingsströme bringen den Bund an seine Kapazitätsgrenzen.

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Archiv: Christine Schraner Burgener: «Wir sind voll ausgelastet»
Aus News-Clip vom 27.10.2022.
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Zum einen ist da der Ukraine-Krieg. Seit dessen Beginn hat die Schweiz insgesamt rund 70'000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Zum anderen steigen seit August die Asylgesuche aus anderen Ländern – vor allem aus der Türkei, wie das Staatssekretariat für Migration SEM bekannt gab. Warum nehmen gerade türkische Asylgesuche zurzeit wieder stark zu?

«Das muss man etwas relativieren», sagt Adrian Schuster, Länderexperte der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und Spezialist auf dem Gebiet der Türkei. Die Türkei sei schon seit Jahren unter den Herkunftsländern mit den meisten Asylgesuchen in der Schweiz vertreten.

Menschenrechtslage, Pandemie, steigende Preise

Auch das Staatssekretariat für Migration beobachtet seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016 einen kontinuierlichen Anstieg der Zahl türkischer Asylgesuche, wie es auf Anfrage schriftlich mitteilt.

Laut Schuster sei der Grund seit Jahren derselbe. «Die menschenrechtliche Lage in der Türkei ist sehr schlecht. Es herrscht Repression gegen oppositionelle und kritische Stimmen», sagt Schuster.

Das SEM ergänzt noch zwei weitere Gründe: «Die Pandemie und die steigenden Nahrungsmittel- und Energiepreise haben die Volkswirtschaften in vielen Herkunftsländern von Asylsuchenden geschwächt, so auch in der Türkei.»

Nicht nur Kurdinnen und Kurden

Bei den Asylsuchenden aus der Türkei handle es sich um Kurdinnen und Kurden, schrieb die Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Donnerstag. Das SEM veröffentlicht bis auf die Nationalität keine weiteren Informationen über die Asylsuchenden. Aber es seien nicht nur kurdische Asylsuchende, sagt Schuster.

Eine zweite grosse Gruppe seien mutmassliche und «echte» Angehörige der Gülen-Bewegung. Sie werden von den türkischen Behörden des Putschversuchs von 2016 beschuldigt.

Verhaftet, strafrechtlich verfolgt, verurteilt

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Die Flüchtlingshilfe Schweiz erstellte Mitte dieses Jahres ein Factsheet mit Risikoprofilen für Menschen, die in der Türkei Repression befürchten müssen. Nicht nur Kurdinnen und Kurden sowie Personen mit Verbindungen zur Gülen-Bewegung sind betroffen: «Menschenrechts- oder Umweltaktivistinnen und -aktivisten», «kritische Medienschaffende und deren Familien», «Personen, die sich öffentlich oder in sozialen Medien regierungskritisch äussern» und weitere Personengruppen können unter der Repression leiden.

Am stärksten betroffen seien Gülenistinnen und Gülenisten, PKK-Mitglieder oder teilweise auch Mitglieder der pro-kurdischen Partei HDP, wie aus dem Factsheet hervorgeht. Ihnen droht Verhaftung, strafrechtliche Verfolgung, und Verurteilung wegen aus Sicht der Flüchtlingshilfe wegen –aus Sicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe – falscher und zu weit gefasster Terrorismus- und anderer Anschuldigungen. Schuster weist darauf hin, dass grosse Willkür herrscht, wer strafverfolgt wird.

Präsidentschaftswahlen 2023 verschärfen Repression

Nächstes Jahr finden in der Türkei Präsidentschaftswahlen statt. Deshalb habe auch die Repression in der Türkei zugenommen, so Schuster. Ein Beispiel für die jetzige Situation sei die Verhaftung der Popsängerin Gülsen.

Wer der Regierung quer kommt, kann vermehrt in den Fokus der Behörden geraten.
Autor: Adrian Schuster Länderexperte der Schweizerischen Flüchtlingshilfe

Vier Monate zuvor hatte die türkische Sängerin einen Scherz über religiöse Schulen gemacht. «Die Verhaftung dieser Frau stellt konservative Kreise in der Türkei zufrieden, um Wählerschaft zu gewinnen» – für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. «Wer der Regierung quer kommt, kann vermehrt in den Fokus der Behörden geraten.»

Werden die Asylanträge aus der Türkei weiter steigen?

Bis zum Wintereinbruch dürften die Asylgesuche türkischer Staatsangehöriger weiter ansteigen, schreibt das SEM. Über den Winter hinaus rechnet die Behörde zuerst mit einem vorübergehenden Rückgang der Gesuche, die im Verlauf des Frühjahrs 2023 wieder ansteigen werden.

Demonstration der Kurden. Es steht: Your Silence is Killing kurds auf einer Fahne.
Legende: Kurdinnen und Kurden demonstrieren am 24. Juli 2021 in Lausanne gegen den Lausanner Vertrag, in dessen Ursprung die aktuellen Grenzen der Türkei und Griechenlands verankert sind. Keystone/Jean-Christophe Bott

«Die längerfristige Entwicklung hängt vom Ausgang der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen ab [...] und von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Türkei in den kommenden Monaten und Jahren», schreibt das SEM weiter.

SRF4 News, 27.10.2022, 16:00 Uhr

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