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Reto Wyss: «Die Lehren aus dem Fall Hefenhofen sind gezogen»
Aus Tagesgespräch vom 23.01.2024. Bild: Keystone/Ennio Leanza
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Prozess zum Fall Hefenhofen Oberster Tierarzt: «Habe noch keinen ähnlichen Fall erlebt»

2017 wurde in Hefenhofen ein Hof mit fast 100 Pferden zwangsgeräumt. Nun stehen der ehemalige Thurgauer Kantonstierarzt und Mitarbeitende des Veterinäramtes vor Gericht. Der Vorwurf: Die Behörden hätten zu spät gehandelt. Der oberste Schweizer Kantonstierarzt Reto Wyss nimmt im «Tagesgespräch» von Radio SRF Stellung zum Fall.

Reto Wyss

Reto Wyss

Oberster Schweizer Kantonstierarzt

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Der Berner Kantonstierarzt Reto Wyss ist Präsident der Vereinigung der Schweizer Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte. Er hat am Untersuchungsbericht mitgearbeitet, der zum Fall in Hefenhofen angefertigt wurde.

SRF News: Ist der Fall Hefenhofen in der Schweiz einzigartig?

Reto Wyss: Ich überblicke als Berner Kantonstierarzt eine Amtszeit von 15 Jahren. In dieser Zeit habe ich keinen ähnlichen Fall in der Schweiz erlebt. Einerseits ist die Zeitspanne mit 15 Jahren sehr lang. Andererseits ging es um fast 100 Pferde. Diese haben viele Emotionen entfacht.

Thurgauer Staatsanwaltschaft zieht Fall weiter

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Es ist ein einzigartiger Fall: Mindestens 15 Jahre rangen die Behörden mit einem Pferdezüchter und Pferdehändler im thurgauischen Hefenhofen um die Einhaltung des Tierschutzgesetzes. Der Tierhalter wurde vom Bundesgericht für Tierquälerei verurteilt, dennoch hielt er bis zu 100 Pferde. Im Sommer 2017 veröffentlichte die Zeitung «Blick» Bilder von verwahrlosten, abgemagerten Tieren. Der Hof wurde geräumt, die Pferde versteigert. Die Strafe für den Tierhalter fiel viel kleiner aus, als die Staatsanwaltschaft sie gefordert hatte. Diese zieht das Urteil weiter. Ab Mittwoch stehen auch der ehemalige thurgauische Kantonstierarzt und Mitarbeitende des Veterinäramtes vor Gericht. Sie hätten zu spät gehandelt, um eigene Interessen zu schützen.

Der Tierhalter war verschiedenen Ämtern seit Jahren bekannt. Die Maschinerie kam aber erst in Gang, als der «Blick» schockierende Bilder über die Zustände auf dem Hof veröffentlichte. Warum brauchte es den öffentlichen Druck, damit das Veterinäramt aktiv wurde?

Ob es den medialen Druck brauchte oder ob es gereicht hätte, wenn die Bilder dem Veterinäramt direkt zugestellt worden wären, kann ich aus heutiger Sicht nicht beurteilen. Klar ist, dass die Bilder eine Eskalation ausgelöst haben. Das Veterinäramt konnte aufgrund der eindeutigen Bilder mit politischer Rückendeckung handeln und gemeinsam mit der Polizei auf dem Hof eingreifen. In unserem Rechtsstaat sind wir an das Prinzip der Verhältnismässigkeit gebunden und können nicht von vornherein mit der schärfsten Massnahme durchgreifen.

Der Hof in Hefenhofen, Soldat mit Pferd
Legende: Die Bilder von vernachlässigten und abgemagerten Pferden auf einem Hof in Hefenhofen erschütterten 2017 die Schweiz. Der Hof des Hauptangeklagten wurde durch die Armee geräumt. Keystone/Ennio Leanza

In den Medien ist von «Behördenversagen» die Rede. Sie haben am Untersuchungsbericht zu diesem Fall mitgearbeitet, würden Sie dieser Aussage zustimmen?

«Behördenversagen» ist ein Schlagwort, das die Medien gerne verwenden. Mir ist in diesem Zusammenhang wichtig zu betonen, dass in unserem liberalen Rechtsstaat in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger dafür verantwortlich sind, dass sie die Gesetze einhalten. Die Tierhalterinnen und Tierhalter sind dafür verantwortlich, dass sie ihre Tiere richtig halten. Erst an zweiter Stelle kommt die Behörde. Der Untersuchungsbericht kommt zum Schluss, dass von einem Versagen aller Behörden gesprochen werden kann, nicht aber von einem Versagen einzelner Personen.

Finden Sie es richtig, dass nun einzelne Personen aus dem Veterinäramt vor Gericht stehen?

Das Verfahren läuft jetzt schon einige Zeit und ich gehe davon aus, dass die Situation umfassend beurteilt wurde und nicht nur einzelne Personen untersucht werden. Ich bin kein Strafrechtler. Ich war aber Mitglied der Untersuchungskommission und kenne daher die Umstände im Fall Hefenhofen. Ich wäre überrascht, wenn einzelne Personen als absolut schuldig eingestuft würden.

Die Tierhaltung wurde vom Veterinäramt kontrolliert, die Kontrollen wurden aber jeweils angekündigt. Ist das üblich?

Grundsätzlich gibt es eine Grundkontrolle, die alle vier Jahre bei jedem Tierhaltungsbetrieb stattfindet. Bei Mängeln, Verdachtsmomenten oder auch Meldungen finden sogenannte Zwischenkontrollen statt, diese sind zu etwa 40 Prozent unangekündigt. Konkret wurden in diesem Fall unangekündigte Kontrollen durchgeführt. Da es jedoch zu gewalttätigen Übergriffen auf die kontrollierende Person kam, musste die Polizei hinzugezogen werden. Sobald die Polizei eingeschaltet ist, gibt diese auch den Ablauf der Kontrolle vor, an den sich das Veterinäramt zu halten hat.

 Das Gespräch führte Karoline Arn, Mitarbeit: Géraldine Jäggi.

Tagesgespräch, 23.01.2024, 13 Uhr;

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