- Tierschützerinnen wollen mit heimlichen Aufnahmen aus einer Trutenfarm zeigen, dass die Tiere dort schlecht gehalten würden.
- Die Bilder zeigen enge Platzverhältnisse, kranke und verletzte Tiere.
- Allerdings: Der Bauer hält alle Vorschriften ein. Aus Sicht der Kantonstierärztin gibt es keinen Grund zur Beanstandung.
Es ist Mitternacht, als ein Auto mit zwei Tierrechtsaktivistinnen auf einem dunklen Parkplatz im Aargau vorfährt. Die beiden Frauen wollen in einen Trutenstall eindringen und die Tiere filmen. Die Videos lassen sie danach anonym anderen Organisationen zukommen.
Der «Rundschau» ist es gelungen, die zwei Tierschützerinnen zu treffen. Die Frauen wollen anonym bleiben, denn mit dem Eindringen in die Ställe begehen sie Hausfriedensbruch. Das ist strafbar.
Jedes zwanzigste Tier stirbt
Die beiden jungen Frauen klettern über einen Zaun. Im Wintergarten entdecken sie eine Krankenstation. Einige Tiere haben gebrochene Flügel, einen Kropf oder Verletzungen am Kopf. Andere liegen tot auf dem Boden, die gesunden Tiere steigen über die kranken hinweg.
Der Bauer, in dessen Trutenstall die Aktivistinnen eindringen, arbeitet für den Geflügelproduzenten Frifag. Franz Renggli leitet den Bereich Tiergesundheit bei der Frifag. Er sagt: «Wir haben eine Überlebensrate von 95 Prozent.» Das heisst: Jedes zwanzigste Tier im Stall stirbt.
Alle Vorschriften eingehalten
Für die Aargauer Kantonstierärztin Barbara Thür ist das kein Grund zur Besorgnis. «Wir haben den Bauern mehrmals kontrolliert, es gab nie Grund zur Beanstandung», versichert sie. Der Trutenhof hat sogar das Label «IP Suisse». Dieses verspricht eine tiergerechte Produktion.
Genau das prangern die Tieraktivisten an. «Wir suchen keine aussergewöhnlichen Missstände», sagen sie. «Wir wollen zeigen, was sich hinter einem solchen Label versteckt.» IP Suisse sagt, der Bauer halte alle Vorschriften von IP Suisse ein.
Kamera als Waffe
Die Aktivistinnen haben einen neuen Verein gegründet. Er heisst «Individuum» und stellt heimlich gedrehte Videos aus Schweizer Tierställen online. Wer dahintersteckt, soll nicht ersichtlich sein. Ziel sei es aufzuzeigen, dass der legale Standard nicht tiergerecht sei. «Wir sind grundsätzlich gewaltfrei», sagt eine der Aktivistinnen. «Unsere Waffe ist die Kamera, mit der wir die Realität wiedergeben.»
Skeptisch steht Kantonstierärztin Thür solchen Aktionen gegenüber. «Jeder Tierhalter achtet darauf, dass er nachts nicht in den Stall geht», sagt sie. «Das bringt eine Aufregung in die Herde. Stressempfindliche Tiere können Probleme bekommen.»
Klage wegen Hausfriedensbruch
Noch gereizter reagiert Franz Renggli von der Frifag. «Für uns ist das nächtliche Eindringen in einen Stall ganz klar eine kriminelle Aktivität», sagt er. Eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs habe der betroffene Bauer bereits eingereicht.
Die Tierrechtsaktivistinnen lassen sich davon nicht beeindrucken. Für kommenden Monat sind schon neue Aktionen geplant. Sie seien bereits in mehreren Trutenställen in drei Kantonen gewesen – das Bild, das sie angetroffen hätten, sei überall ähnlich gewesen. Die Aktivistinnen prangern nicht einzelne Bauern an – sondern die Massentierhaltung als System.