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Rassismus-Debatte Manuel Akanji: «Ich meine, was sind ‹richtige Schweizer›?»

Er ist Schweizer, hat Wurzeln in Nigeria und spielt für die Schweizer Nati. Rassismus hat auch er schon erlebt. Manuel Akanji erzählt, was der Tod George Floyds in ihm ausgelöst hat und was er seinem Sohn mitgeben möchte.

Manuel Akanji

Schweizer Fussballspieler

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Manuel Akanji ist 1995 in Neftenbach (ZH) geboren. Der Innenverteidiger spielt derzeit bei Borussia Dortmund und steht im Kader der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft. Er besitzt neben der Schweizer auch die nigerianische Staatsbürgerschaft.

SRF News: Sie haben einen Text auf dem Online-Portal «Watson» George Floyd gewidmet. Darin wünschen Sie sich, dass sein Tod eine Wende einleitet. Welche?

Manuel Akanji: Ich wünsche mir, dass endlich Taten folgen. Dass Rassismus vermehrt aufgedeckt und verurteilt wird. Und vor allem auch, dass durch diese Proteste ein Umdenken in der Gesellschaft eintritt. Dass man dieses System hinterfragt. Es ist das Grundrecht jedes Menschen, dass er gleich behandelt wird – egal, wie er aussieht und woher er ist.

Was hat das Video der Verhaftung Floyds bei Ihnen ausgelöst?

Wut. Und es hat mich auch traurig gemacht, dass so etwas im 21. Jahrhundert immer noch passieren kann. Vor allem, dass ein Mensch jemanden anderen so misshandeln kann. Und dass dies auch noch von einem Polizisten getan wurde, der eigentlich Menschen beschützen sollte. Das hat mir weh getan. Die Schwarzen haben in der Vergangenheit schon viel Gewalt und Erniedrigung über sich ergehen lassen müssen. Meistens hat man es nicht gesehen. Jetzt wurde dies gefilmt. Ich glaube, dies hat bei niemandem etwas Gutes ausgelöst. Es zeigt auch, dass im US-System Fehler vorliegen, und die Polizeigewalt deshalb geschehen konnte.

Es ist das Grundrecht jedes Menschen, dass er gleich behandelt wird – egal, wie er aussieht und woher er ist.

Sie haben klar Kante gezeigt bei Borussia Dortmund und ein Unterhemd mit der Aufschrift «Justice for George Floyd» getragen. Was ist Ihre Botschaft?

Rassismus ist ein Alltagsproblem, nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland und der Schweiz. Es geschieht überall im Alltag, bei der Arbeit oder wenn ich einkaufe. Sogar bei Kindern auf dem Spielplatz. Da muss einfach eine Bereitschaft aller da sein, sich zu hinterfragen und sich weiterzubilden, wie man dies ändern kann. Man sollte nicht wegschauen, sondern sich einsetzen, wenn man etwas sieht, womit man nicht einverstanden ist.

Rassismus ist ein Alltagsproblem, nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland und der Schweiz.

Ich habe gelesen, dass Sie Rassismus «nur» aus dem Internet kennen.

Es ist mir auch schon oft im Alltag passiert. Aber im Internet kommt es mehr vor, weil sich die Leute eher getrauen, zu sagen, was sie gerade denken. Man sagt nicht dasselbe, wenn jemand vor einem steht, wie wenn man einfach etwas im Internet schreibt – und dann ungestraft davonkommt. Auch von der Nationalmannschaft hat man öfters gehört, dass man nur richtige «Schweizer» wolle. Ich meine, was sind «richtige Schweizer» und «nicht richtige Schweizer»?

Auch in Fussballstadien gibt es Rassismus – ab und zu fliegt eine Banane aufs Feld: Wie soll man damit umgehen? Soll man Rassisten härter bestrafen?

Meiner Meinung nach ja! Ich fände es am besten, wenn dies bei den eigenen Fans beginnen würde. Wer das mitbekommt, soll dagegen intervenieren und sagen, dass dies nicht okay ist. Auf Vereinsebene müsste man versuchen, mit dem eigenen Fanclub darüber zu reden und klare Richtlinien abgeben. Ich verstehe auch, dass nicht alles kontrolliert werden kann. Doch im schlimmsten Fall müsste vielleicht der Schiedsrichter das Spiel abbrechen.

Seit einem Monat sind Sie Vater. Welche Werte wollen Sie Ihrem Sohn mitgeben?

Zuallererst, dass er stolz darauf ist, wer er ist. Egal wie jemand aussieht und welchen Charakter jemand hat – auch er soll andere Leute mit Respekt behandeln. Schliesslich finde ich, dass wir alle gleich sind: egal ob schwarz oder weiss oder gelb oder was auch immer. Wir wollen dies unserem Sohn vorleben, damit er dies hoffentlich auch so weiterlebt.

Die Fragen stellte Sandro Brotz.

Arena vom 12.06.2020 ; 

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