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Rassismusproblem Lausanner Polizei unter Druck nach Chat-Skandal

Nach der tödlichen Verfolgungsjagd in Lausanne wächst die Wut über diskriminierende Vorfälle.

In Lausanne eskalierte die Situation am Montagabend erneut: Brennende Container, Feuerwerk gegen Einsatzkräfte und Randale prägten die zweite Krawallnacht. Dies, weil ein 17-jähriger Jugendlicher am Wochenende starb, nachdem er auf einem gestohlenen Roller vor der Polizei geflüchtet war.

Die Realität ist noch schlimmer, als wir befürchtet hatten. Aber tatsächlich wusste es jeder.
Autor: Frédéric Maillard Externer Organisationsberater

Parallel sorgten Chat-Protokolle für Aufsehen: In Gruppen tauschten Polizisten der Lausanner Stadtpolizei rassistische, sexistische, homophobe und antisemitische Inhalte aus. Ein Jugendlicher sagte gegenüber SRF: «Wir sollen ihnen vertrauen? Die, die so über die Leute reden, die sie festnehmen?»

Externer Organisationsberater Frédéric Maillard, der die Polizei von Lausanne von innen kennt, erklärt gegenüber RTS: «Die Realität ist noch schlimmer, als wir befürchtet hatten. Aber tatsächlich wusste oder vermutete es jeder.»

Heute Nacht blieb es ruhig in Lausanne

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Nach zwei Abenden mit Ausschreitungen ist im Lausanner Quartier Prélaz offenbar Ruhe eingekehrt. Bis Mitternacht kam es am Dienstag zu keinen weiteren Ausschreitungen, wie vor Ort anwesende Journalisten der Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichteten. Es gab zwar einige Menschen, die sich draussen im Quartier aufhielten, die Situation blieb jedoch friedlich. Polizeiautos waren vor Ort.

Am Dienstagmorgen hatte der für die Polizei zuständige Lausanner Stadtrat Pierre-Antoine Hildbrand (FDP) eine Verstärkung der präventiven Präsenz angekündigt, um eine dritte Nacht der Krawalle zu verhindern. An den zwei Abenden zuvor kam es in Prélaz zu Ausschreitungen.

Patrice Martin Zumsteg – er doziert Sicherheitsrecht an der ZHAW und bildet auch Polizisten weiter – plädiert für mehr Offenheit und Diversität in den Polizeikorps: «Dadurch, dass die meisten das Schweizer Bürgerrecht verlangen, schliesst man einen Teil der Bevölkerung von diesem Beruf aus. Es wäre wichtig, unterschiedliche Lebenserfahrungen in ein Korps einzubringen.»

Ja, ich war wirklich schockiert.
Autor: Elisabeth Baume-Schneider Bundesrätin

Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider betont gegenüber SRF: «Ich glaube nicht, dass alle Polizisten ein Rassismusproblem haben. Es ist nun aber wichtig, dass es Antworten gibt, die Behörden ihre Verantwortung wahrnehmen - und ja, ich war wirklich schockiert.» Die Bundesrätin fordert zugleich, dass diskriminierende Äusserungen nicht als «Spass» verharmlost werden.

Expertinnen und Experten warnen zudem vor strukturellem Rassismus. Historiker Henri-Michel Yéré erklärt: «Struktureller Rassismus ist eine Frage der Machtverteilung in der Gesellschaft. Es gibt etwa unter den CEOs in der Schweiz sehr wenige Leute afrikanischer Herkunft. Das sind keine Unfälle.» Dozent Patrice Martin Zumsteg ergänzt: «Um ein Problem bekämpfen zu können, muss man erstmal anerkennen, dass es ein Problem gibt. Und erst wenn man weiss, dass es das Problem gibt, kann man auch nach den Ursachen forschen.»

Die Rekrutierung, Ausbildung und Sensibilisierung für den Umgang mit Minderheiten funktioniert bei der Polizei gut.
Autor: Emmanuel Fivaz Präsident des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter

Die Polizei-Gewerkschaft betont, dass die Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten korrekt arbeite. Emmanuel Fivaz, Präsident des Schweizerischen Verbands der Polizeibeamtinnen und -beamten, sagt: «Rassismus ist glücklicherweise nicht allgegenwärtig, sondern eher selten. Die Rekrutierung, Ausbildung und Sensibilisierung für den Umgang mit Minderheiten funktioniert gut.»

Polizisten in Uniform vor FNAC-Gebäude, daneben Polizeifahrzeug.
Legende: Die Lausanner Polizei steht aktuell unter Druck: Neben den Unruhen rund um den Tod eines 17-jährigen Jugendlichen vom Wochenende, sind nun auf Chat-Protokolle aufgetaucht, die für Aufsehen sorgen. (Symbolbild) KEYSTONE/Cyril Zingaro

Die Polizei Lausanne steht nun vor der Herausforderung, das Vertrauen in die Institution wieder aufzubauen. Gleichzeitig haben die jüngsten Vorfälle die Debatte über Rassismus, Antisemitismus und Diversität in Schweizer Polizeikorps erneut befeuert – ein Thema, das nun auf allen Ebenen der Sicherheitsbehörden diskutiert wird.

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10vor10, 26.08.2025, 21.50 Uhr

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