In Lausanne eskalierte die Situation am Montagabend erneut: Brennende Container, Feuerwerk gegen Einsatzkräfte und Randale prägten die zweite Krawallnacht. Dies, weil ein 17-jähriger Jugendlicher am Wochenende starb, nachdem er auf einem gestohlenen Roller vor der Polizei geflüchtet war.
Die Realität ist noch schlimmer, als wir befürchtet hatten. Aber tatsächlich wusste es jeder.
Parallel sorgten Chat-Protokolle für Aufsehen: In Gruppen tauschten Polizisten der Lausanner Stadtpolizei rassistische, sexistische, homophobe und antisemitische Inhalte aus. Ein Jugendlicher sagte gegenüber SRF: «Wir sollen ihnen vertrauen? Die, die so über die Leute reden, die sie festnehmen?»
Externer Organisationsberater Frédéric Maillard, der die Polizei von Lausanne von innen kennt, erklärt gegenüber RTS: «Die Realität ist noch schlimmer, als wir befürchtet hatten. Aber tatsächlich wusste oder vermutete es jeder.»
Patrice Martin Zumsteg – er doziert Sicherheitsrecht an der ZHAW und bildet auch Polizisten weiter – plädiert für mehr Offenheit und Diversität in den Polizeikorps: «Dadurch, dass die meisten das Schweizer Bürgerrecht verlangen, schliesst man einen Teil der Bevölkerung von diesem Beruf aus. Es wäre wichtig, unterschiedliche Lebenserfahrungen in ein Korps einzubringen.»
Ja, ich war wirklich schockiert.
Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider betont gegenüber SRF: «Ich glaube nicht, dass alle Polizisten ein Rassismusproblem haben. Es ist nun aber wichtig, dass es Antworten gibt, die Behörden ihre Verantwortung wahrnehmen - und ja, ich war wirklich schockiert.» Die Bundesrätin fordert zugleich, dass diskriminierende Äusserungen nicht als «Spass» verharmlost werden.
Expertinnen und Experten warnen zudem vor strukturellem Rassismus. Historiker Henri-Michel Yéré erklärt: «Struktureller Rassismus ist eine Frage der Machtverteilung in der Gesellschaft. Es gibt etwa unter den CEOs in der Schweiz sehr wenige Leute afrikanischer Herkunft. Das sind keine Unfälle.» Dozent Patrice Martin Zumsteg ergänzt: «Um ein Problem bekämpfen zu können, muss man erstmal anerkennen, dass es ein Problem gibt. Und erst wenn man weiss, dass es das Problem gibt, kann man auch nach den Ursachen forschen.»
Die Rekrutierung, Ausbildung und Sensibilisierung für den Umgang mit Minderheiten funktioniert bei der Polizei gut.
Die Polizei-Gewerkschaft betont, dass die Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten korrekt arbeite. Emmanuel Fivaz, Präsident des Schweizerischen Verbands der Polizeibeamtinnen und -beamten, sagt: «Rassismus ist glücklicherweise nicht allgegenwärtig, sondern eher selten. Die Rekrutierung, Ausbildung und Sensibilisierung für den Umgang mit Minderheiten funktioniert gut.»
Die Polizei Lausanne steht nun vor der Herausforderung, das Vertrauen in die Institution wieder aufzubauen. Gleichzeitig haben die jüngsten Vorfälle die Debatte über Rassismus, Antisemitismus und Diversität in Schweizer Polizeikorps erneut befeuert – ein Thema, das nun auf allen Ebenen der Sicherheitsbehörden diskutiert wird.