Totgehoffte Terrororganisationen leben länger. Während europäische Sicherheitsbehörden und Politikerinnen und Politiker im Nachgang zu rechtsterroristischen Anschlägen weltweit ihr Augenmerk nachvollziehbarweise verstärkt auf die Gefahr von rechts gerichtet haben, schien man in der Öffentlichkeit den islamistischen Extremismus zuweilen vergessen zu haben.
Die Razzien vom Montag in der Schweiz und in Deutschland rufen in Erinnerung, dass das Risiko islamistischen Terrorismus’ nicht einfach verschwunden ist. Das unterstreicht auch eine weitere Meldung vom Dienstag: In Österreich soll eine IS-Zelle identifiziert worden sein, sie werde mit Anschlagsplänen im Zusammenhang mit Grossveranstaltungen in Europa in Verbindung gebracht, berichtet die österreichische Nachrichtenagentur Apa.
Die Fälle in Österreich und die Razzien in Deutschland und der Schweiz stehen zwar in keinem direkten Zusammenhang, doch sie unterstreichen, wie islamistische Gefährder – und teils auch Gefährderinnen – die Sicherheitsbehörden nach wie vor auf Trab halten.
Knackpunkt Deradikalisierung
Dabei fallen einmal mehr zwei Dinge auf: Die beiden volljährigen Schweizer wurden wegen IS-Unterstützungshandlungen bereits einmal verurteilt – haben aber trotzdem weitergemacht, so zumindest der Verdacht. Das bedeutet: Mit einem Strafurteil sind viele Fälle nicht erledigt. Der Knackpunkt: sogenannte Deradikalisierung. Ein Begriff, der unter Fachleuten umstritten ist. Ist das überhaupt möglich, solange keine Einsicht besteht? Was tun, wenn sich jemand weigert?
Was ebenfalls auffällt: Hinter jungen und sehr jungen Islamisten – die teils bereits als «alte Bekannte» gelten in Sicherheitskreisen – dient oft eine ältere Generation als Rückgrat. Also noch ältere Bekannte.
Junge Anhänger um sich geschart
So wurde am Montag neben den drei Schweizern ein Deutscher festgenommen. Nach Informationen von SRF News handelt es sich um einen inzwischen 60-jährigen deutschen Staatsbürger pakistanischer Herkunft. Jahrzehntelang beschäftige er die deutschen Nachrichtendienste und die Justiz – und wurde auch verurteilt wegen Unterstützung von Al Kaida. Doch auch hier scheint sich nun zu zeigen: Offenbar hat der Mann weitergemacht. Während andere seiner Generation die Pensionierung planen, versuchte er offenbar, sich dem IS anzuschliessen.
Der 60-jährige Deutsche schien so etwas wie eine junge Anhängerschaft um sich zu geschart zu haben – wobei ihm seine jihadistische Vergangenheit bis in die Zeit vor den Anschlägen von 2001 zwecks Autoritätssteigerung wohl zupass kam.
Man halte sich vor Augen: Einer der beiden gestern festgenommen Schweizer ist gerade einmal 20-jährig, der andere 17. Zum Zeitpunkt, als der «alte Bekannte» Deutsche die 9/11-Anschläge feierte, war die beiden noch nicht einmal geboren.