Da huschen sie über die Bundeshausfassade: Feen, Elfen und Kobolde. Das 13. Lichtspektakel «Rendez-vous Bundesplatz» ist in vollem Gang. Und wieder ist das Publikum verzaubert von der aufwändigen Inszenierung – wohlverstanden: das sehende Publikum.
Denn anders als die Jahre davor gibt es für die aktuelle Show «Mystic» keine Hörfassung. Keine Stimme, die via Smartphone erzählt, was auf der Fassade gerade zu sehen ist. Warum lässt man Sehbehinderte und Blinde dieses Jahr im Dunkeln tappen?
Die Veranstalterin von «Rendez-vous Bundesplatz», die Firma Starlight Events, hat die Hörfassung in den letzten fünf Jahren extern in Auftrag gegeben: an «Blind Power». Der Verein aus blinden, sehbehinderten und sehenden Menschen ist spezialisiert auf sogenannte Audiodeskriptionen.
Ein Wille, aber kein Geld
Dieses Jahr jedoch fehlte es «Blind Power» an Personal und vor allem: an Geld. Der Verein finanziert sich ausschliesslich durch private Spenden. «Viele Leute hätten weit unter ihrem Ansatz arbeiten müssen», sagt Vereinsmitglied René Jaun. «Irgendwann kommt man zum Punkt, an dem man merkt: So funktioniert das nicht mehr.»
Auch die Lichtshow selbst ist durch private Spenden finanziert. Aber daneben erhält sie von der Stadt Bern einen Beitrag von 180'000 Franken. Dennoch: «Meine Kasse ist jedes Jahr kleiner», sagt auch Brigitte Roux, Initiantin und Geschäftsführerin der Lichtshow. Darum könne sie die Audiodeskription nicht aus ihrem Budget berappen.
Unterschiedliche Interpretation der Gesetze
Soweit der Einzelfall. Aber die Frage bleibt: Muss Kultur barrierefrei sein? Dazu heisst es beim eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Menschen mit Behinderung auf Anfrage: Private Kulturveranstalter könnten nicht zur Barrierefreiheit verpflichtet werden. Man setzte sich aber dafür ein, die Inklusion in der Kultur zu fördern.
Barrierefreiheit ist nicht einfach ein Nice-To-Have.
Der Fachstelle «Kultur inklusive» reicht das nicht: «Barrierefreiheit ist nicht einfach ein Nice-To-Have, sondern ein Menschenrecht. Wir haben gesetzliche Grundlagen dazu: das Behindertengleichstellungsgesetz von 2004 und die UNO-Behindertenrechtskonvention», sagt Mediensprecherin Paola Pitton. Sie sieht die Veranstalter – egal ob öffentlich oder privat – deshalb in der Pflicht: «Auch Inklusion ist ihre Aufgabe.»
Zurück zum Lichtspektakel auf dem Bundesplatz – ein «Rendez-vous», das dieses Jahr also die wenigsten sehbehinderten und blinden Menschen wahrnehmen dürften. Es sei denn, sie beauftragen spontan jemanden aus dem Publikum mit einer Bildbeschreibung.