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Rennen um Bundesratssitz Ein Duell der Netten

Albert Rösti ist nett. Nett ist wahrscheinlich das häufigste Adjektiv, das in Zusammenhang mit dem Berner Nationalrat verwendet wird. Und es ist nicht immer nett gemeint. Denn in seiner Partei, der SVP, will man oft nicht nett sein.

Nett sein als Nominierungsgrund

So wird in diesen Tagen häufig analysiert, dass seine Nettigkeit ein Nachteil sein könnte für Albert Rösti. Doch eine Studie des Berner Politologen Adrian Vatter zeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Vatter und sein Team haben die Kandidierenden interviewt, die seit 1982 für ein Bundesratsamt zur Verfügung standen und konnten aufzeigen, dass nette Kandidierende eine höhere Chance hatten, von ihrer Fraktion nominiert zu werden als andere.

Nun mag es auf den ersten Blick nicht überraschen, dass der Kandidat der Berner SVP nett ist. Gibt es doch unterschiedliche Ausprägungen in der Partei und eine Berner SVP politisiert sicher in einem gemässigteren Stil als eine Zürcher SVP, die wesentlich angriffiger und härter im Ton ist.

Andere Kandidaten im Jahr 2015

Überraschend ist, dass der Zürcher Kandidat, der diese Woche präsentiert wurde, ebenfalls ein netter Kandidat ist. Hans-Ueli Vogt ist kein angriffiger, lauter, harter Politiker. Im Gegenteil: An der Medienkonferenz am Mittwoch sagte der Rechtsprofessor, er sei auch empfindsam und rücksichtsvoll. Den Vorteil des Netten hat somit nicht nur Albert Rösti, sondern auch der Zürcher Kandidat Hans-Ueli Vogt.

Die beiden haben wohl auch die besten Chancen, auf das offizielle Ticket der SVP zu kommen. Das Parlament hätte damit die Wahl zwischen zwei gemässigten, netten Kandidaten. Das war auch schon anders: 2015 beispielsweise standen mit Thomas Aeschi, Norman Gobbi und Guy Parmelin sehr unterschiedliche Politiker-Typen zur Auswahl. Mit Aeschi und Gobbi haben es auch angriffige Politiker aufs Ticket geschafft, gewählt wurde schliesslich der nette Guy Parmelin.

SVP ist in Parlamentsmechanik angekommen

Es kann Zufall sein, dass nun zwei nette Kandidaten die wohl besten Karten haben. Es kann aber auch sein, dass die SVP in der Parlamentsmechanik angekommen ist. Das heisst: Die Kandidierenden müssen mehrheitsfähig sein. Das ist besonders bei der SVP wichtig, denn sie fordert, dass das Parlament ihre offiziellen Anwärterinnen und Anwärter wählt.

Wilden Kandidierenden droht bei ihrer Wahl der Parteiausschluss. Die Konsequenz: Die SVP muss eine gewisse Auswahl bieten und sie muss solche nominieren, die wählbar sind. Hier dürften nette Bewerberinnen und Bewerber im Vorteil sein.

Sollte die SVP ein Zweier-Ticket für die Wahlen am 7. Dezember aufstellen, haben aktuell die beiden nettesten Kandidaten die besten Chancen, auf diesem Ticket zu stehen. Albert Rösti bleibt dabei der Kronfavorit. Nicht nur, weil er der Netteste ist. Der ehemalige Präsident der SVP Schweiz ist bestens im Parlament vernetzt, thematisch breit aufgestellt und kann Kompromisse über die politischen Lager hinaus schliessen.

Mirjam Spreiter

Bundeshauskorrespondentin

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Mirjam Spreiter ist Bundeshauskorrespondentin bei SRF. Zuvor war sie Korrespondentin in den Regionen Bern und Freiburg sowie Redaktorin und Reporterin der «Tagesschau». Sie hat an den Universitäten Freiburg, Bern und Berlin Religionswissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie Zeitgeschichte studiert.

Tagesschau, 21.10.2022, 19:30 Uhr

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