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Rentenalter mindestens 66 Nationalrat will Vorschlag mit Schuldenbremse bei AHV

  • Der Nationalrat gibt die Initiative der Jungfreisinnigen mit 93 zu 92 Stimmen bei einer Enthaltung zurück an die Kommission, die einen indirekten Gegenvorschlag erarbeiten soll. In diesem soll eine Schuldenbremse für die AHV enthalten sein.
  • Über die Initiative selbst hat der Nationalrat noch nicht entschieden.

Wer die Debatte im Nationalrat verfolgt hat, musste zum Schluss kommen: Grundsätzlich länger arbeiten, wäre das Eine. Länger arbeiten in der realen, heutigen Arbeitswelt aber ist etwas Anderes. Denn die Initiative verkenne die Realität, schon über 55-Jährige hätten Mühe auf dem Arbeitsmarkt, trotz des viel besprochenen Fachkräftemangels. Die meisten Rednerinnen und Redner lehnen die «Renteninitiative» ab. Sie sei «unsozial», «unsensibel» und «willkürlich».

Das will die Initiative

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Die Jungfreisinnigen haben eine Volksinitiative zur Sicherung der Finanzierung der AHV eingereicht. Sie heisst: «Für eine sichere und nachhaltige Altersversorgung». Die Jungfreisinnigen wollen das Rentenalter für Frauen und Männer schrittweise erhöhen, bis es 66 Jahre beträgt. Weiter wollen sie einen Automatismus im Gesetz verankern, mit dem das Rentenalter an die durchschnittliche Lebenserwartung der Schweizer Bevölkerung angepasst wird.

Unsozial (so mehrere Rednerinnen und Redner), weil es grosse Unterschiede in der Lebenserwartung gibt: Die Lebenserwartung ist je nach Kanton, nach Geschlecht und vor allem nach dem sozioökonomischen Status und Berufsrisiko verschieden. Wer eine tiefe Lebenserwartung habe, würde mit Annahme der Initiative Rentenjahre verlieren, weil er oder sie weniger lange lebt und länger arbeiten müsste.

Als Beispiel: Unverheiratete Frauen hätten eine längere Lebenserwartung als verheiratete, sagte beispielsweise Felix Wettstein, Grüner aus dem Kanton Solothurn. Ob sie deshalb länger arbeiten sollten?

«Keine Chance vor dem Volk»

Unsensibel, weil erst im letzten Herbst das Rentenalter für Frauen erhöht wurde: Diese Abstimmung sei denkbar knapp ausgegangen, so viele Rednerinnen, und es sei nicht opportun, nun schon wieder über eine Erhöhung des Rentenalters zu diskutieren. Schliesslich sei die Reform noch gar nicht umgesetzt. Man müsse erst mal Erfahrungen sammeln.

Man habe letztes Jahr mit der AHV 21 einen guten Kompromiss erreicht, sagte beispielsweise Lilian Studer, EVP-Nationalrätin aus dem Aargau. Sie legte deshalb den Initianten nahe, die Initiative zurückzuziehen. Vor dem Volk hätte sie sowieso keine Chance, prophezeite Studer.

Willkürlich sei sie, weil der Bundesrat bereits bis im Dezember den Auftrag erhalten habe, Vorschläge zur Stabilisierung der AHV-Finanzen vorzulegen. Es sei nicht angebracht, diesem vorzugreifen, so mehrere Votanten.

«Alles Männer im Vorstand»

Nicht verkneifen konnte sich die Zuger Grüne Manuela Weichelt einen Seitenhieb gegen die Initianten, die Jungfreisinnigen. «Im Vorstand der Jungfreisinnigen sind alles Männer. Gehen Sie auf die Website!», so Weichelt. Schon die letzte AHV-Reform sei auf Kosten der Frauen ausgetragen worden.

Beschlüsse

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Der Nationalrat hat nach Wiederholung der Abstimmung mit 92 zu 93 Stimmen die Vorlage gemäss Minderheit Mettler an die Kommission zurückgewiesen. Das heisst, dass die Kommission nun einen indirekten Gegenvorschlag mit einer Schuldenbremse ausarbeiten soll.

Der Bundesrat lehnte die Initiative ab. Er schreibt: «Eine Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung berücksichtigt weder die sozialpolitische noch die arbeitsmarktliche Situation.» Der Bundesrat setzt auf die laufenden Reformen zur Altersvorsorge, um das Leistungsniveau der AHV und der obligatorischen beruflichen Vorsorge zu erhalten und das finanzielle Gleichgewicht der ersten und zweiten Säule zu sichern.

Auch der Ständerat lehnte die Initiative ab. Nach dem Ja des Volks zur AHV-21-Vorlage hält er eine weitere Anpassung des Rentenalters derzeit nicht für angebracht.

Ebenfalls abgelehnt wurde die Initiative von der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats. Sie spricht sich auch gegen einen direkten sowie einen indirekten Gegenvorschlag aus, mit welchen die Einführung einer Schuldenbremse für die AHV beantragt wurde. Statt einseitig bei der Höhe des Rentenalters anzusetzen, möchte die Kommission die nächste Reform abwarten, die der Bundesrat dem Parlament bis spätestens 2026 unterbreiten muss.

Tapfer setzte sich der Freisinn für die Vorlage ein. Christian Wasserfallen (FDP/BE) sagte, es sei nicht die Frage, ob man bezüglich der Finanzierung AHV handeln müsse, denn handeln müsse man. «Viele 20-Jährige stellen sich die Frage, ob sie überhaupt noch eine Rente aus der 1. Säule erhalten.»

Das allerdings bezeichnete sein Nachredner, Felix Wettstein, Grüne/SO, als «Panikmache»: Es sei nicht so, dass man bei den finanziellen Prognosen für die AHV nur auf die Anzahl der Arbeitenden abstellen könne. «Entscheidend ist die Gesamtlohnsumme», so Wettstein. Gut bezahlte Jobs nähmen in der Schweiz zu.

Tagesschau, 05.06.2023, 19:30 Uhr ; 

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