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Tabu: Höheres AHV-Rentenalter Die sichere Finanzierung der AHV ist noch nicht gewährleistet

Aus den drei Säulen des schweizerischen Rentensystems ist sie nicht wegzudenken: Die Alters- und Hinterlassenenversicherung AHV. Als existenzsicherndes Vorsorgewerk hat sie eine enorme Bedeutung: Rund 48 Milliarden Franken wurden laut dem Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) im vergangenen Jahr als Renten ausbezahlt.

Dank zusätzlicher Milliarden-Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung ab 2024 sowie Entlastungen wegen des höheren Frauenrentenalters ab 2028 ist die Finanzierung der AHV kurzfristig gesichert, dank des Resultates der Volksabstimmung vom vergangenen September .

Für die längerfristige finanzielle Zukunft der AHV lässt sich das aber nicht sagen. Denn bereits ab 2029 geht das BSV von einem jährlichen Milliardendefizit aus. Eine neue Vorsorgestudie der UBS spricht gar von hunderten Milliarden Franken an künftigen Rentenversprechen, die nicht mehr gedeckt sind.

Wohlstand erhalten

Es braucht also weitere Reformen für die AHV. Doch was tun? Beiträge der AHV-pflichtigen Berufstätigen regelmässig anheben? Erträge aus der Mehrwertsteuer ausweiten? Renten senken oder den Beitrag des Bundes erhöhen? Das alles wäre möglich. Doch jede dieser Massnahmen mindert das Einkommen einer Anspruchsgruppe.

Auf Plakaten wird eine 13. AHV-Rente gefordert.
Legende: Die AHV muss laufend weiterentwickelt werden, die Ansprüche sind vielfältig: Hier demonstriert alt Nationalrat Ueli Leuenberger (Grüne/GE) zusammen mit weiteren Teilnehmerinnen für die Einführung einer 13. AHV-Rente im Dezember 2022. KEYSTONE / Anthony Anex

Anders wäre es bei der Erhöhung des Rentenalters: Sie würde den aktiv Versicherten über ihr restliches Leben hinweg zwar eine geringere Rente ausrichten, doch dies könnte durch ein längeres Erwerbseinkommen kompensiert werden. Unter dem Strich liesse sich damit der Wohlstand der ganzen Gesellschaft am besten erhalten.

Rentenalter entpolitisieren

Allerdings wäre eine Erhöhung des Rentenalters zwingend an die Entwicklung der Lebenserwartung zu knüpfen. Der Vorteil wäre, dass das Rentenalter nur sehr langsam ansteigt. Und sollte die Lebenserwartung sinken, würde auch das Rentenalter wieder nach unten angepasst.

Ein weiterer Vorteil: Das Rentenalter wäre (endlich) frei von politischen und emotionalen Diskussionen. Die Vorsorge-Expertin der UBS rechnet in ihrer Untersuchung unter anderem über einen Zeitraum von 2030 bis 2070 und kommt auf ein Rentenalter von 68 Jahren. Damit liesse sich auch die anfangs erwähnte Finanzierungslücke mehr als schliessen.

Generationenvertrag bewahren

Rentenalter 68 Jahre? In der Schweiz? Das wäre heute politisch kaum umzusetzen. Doch in anderen Ländern wie Deutschland und Belgien gehen Arbeitnehmende künftig mit 67 Jahren, in Italien mit 71 und in Dänemark sogar mit 74 Jahren in Pension. Klar ist: Es braucht weitere Reformen bei der AHV, weil bald nur noch zwei Beitragszahlende eine Rentnerin oder einen Rentner finanzieren werden.

Ein Stillstand von zwanzig Jahren, wie in den vergangenen zwei Dekaden erlebt, wäre für das Sozialwerk verheerend. Und der implizite Generationenvertrag der AHV – die Jüngeren zahlen ein und die Älteren, die auch mal jung waren und einbezahlt haben, erhalten die Renten – wäre definitiv gebrochen. Das kann eigentlich niemand ernsthaft wollen.

AHV 2030: Szenarien zum Rentenalter

Marcel Sigrist

Wirtschaftsredaktor

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Marcel Sigrist ist seit 2007 SRF-Wirtschaftsredaktor. Der Ökonom publiziert insbesondere zu Banken, Altersvorsorge, öffentlichem Verkehr und zum Gesundheitssystem.

Tagesschau, 24.01.2023, 19:30 Uhr

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