8.3 Milliarden Franken: So gross ist nach Angaben des Verbands Santésuisse derzeit der Reservetopf aller Krankenkassen. Es ist die eiserne Reserve der Kassen für Unvorhergesehenes. Sie sei viel zu gross, sagt der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Pierre-Yves Maillard.
5 Milliarden davon könne man daher direkt an die Bevölkerung verteilen, sagt er. «Das könnte durchschnittlich ungefähr 500 Franken pro Person, also 2000 Franken für eine vierköpfige Familie, heissen. Das ist ein gutes Element zur Unterstützung der Bevölkerung und des Konsums.»
Interesse an Reservegeldern ist gross
Die Gewerkschaften sind nicht die ersten, bei denen die Reserven der Krankenkassen in der Krise Begehrlichkeiten geweckt haben. Auch die Spitäler zum Beispiel verlangten aus diesen Töpfen bereits eine Entschädigung für Ertragsausfälle im Lockdown, als sie nicht mehr operieren durften. Doch die Versicherer wehren sich. Schliesslich seien die Reserven gerade für eine Pandemie wie jetzt da, sagt Matthias Müller von Santésuisse.
«Sie haben in dieser Krise dafür garantiert, dass keine Prämienerhöhung wegen des Coronavirus notwendig wird. Das trifft sogar bei einer zweiten oder dritten Welle zu. Auch dann garantieren die Reserven, dass es wegen Corona keine Prämienerhöhung gibt», so Müller.
Von dieser Krise sind vor allem die Geringverdienerinnen und Geringverdiener betroffen.
Die Coronakrise sei ohnehin ganz anders als frühere Krisen wie etwa die Finanz- und Wirtschaftskrise, sagt Daniel Lampart, Chefökonom des SGB vor den Medien: «Diese Krise unterscheidet sich von anderen Krisen, indem vor allem die Geringverdienerinnen und Geringverdiener davon betroffen sind.»
Angestellte im Verkauf, im Gastgewerbe oder Coiffeure treffe die Krise besonders hart, weil ihre Löhne ohnehin schon sehr tief seien. Werden sie auf Kurzarbeit gesetzt, werden ihnen nur noch 80 Prozent des Lohns ausbezahlt.
Menschen mit tiefen Einkommen bräuchten eine 100-prozentige Entschädigung, fordert SGB-Präsident Maillard. Sonst hätten sie Schwierigkeiten, Ende Monat alle Rechnungen zu bezahlen: «Das ist ein Problem für den Konsum, denn es ist nötig, dass sich die Wirtschaft weiterentwickelt, und dazu braucht es auch den Konsum.»
Arbeitgeber kritisieren falschen Anreiz
Die Kaufkraft stärken und so die Wirtschaft ankurbeln – dagegen haben im Prinzip auch die Arbeitgeber nichts. Nur nicht so, sagt der Chefökonom des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Simon Wey: «Weil das eine falsche Anreizwirkung entfalten würde. Es muss im System so sein, dass Arbeit ausserhalb von Kurzarbeitsentschädigungen höher entschädigt wird.»
Vollen Lohn auch bei Kurzarbeit: Im Parlament wird das noch zu reden geben. Mehrere Vorstösse von links mit dieser Forderung liegen auf dem Tisch. Der SGB wiederum will seine Forderungen nun dem Bundesrat überreichen.