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Ringen um Rahmenabkommen «Bilaterale retten, aber nicht um jeden Preis»

Das Institutionelle Rahmenabkommen steckt fest. Die Uhr tickt. In vier Tagen droht die Anerkennung der Schweizer Börse, die Börsenäquivalenz, auszulaufen. Ein Zankapfel ist nach wie vor der Lohnschutz. Morgen reist der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGP) Pierre-Yves Maillard zum europäischen Gewerkschaftsbund nach Brüssel. Er erhofft sich Unterstützung.

Pierre-Yves Maillard

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Pierre-Yves Maillard (54) ist seit Mai 2019 Präsident des schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). Der Waadtländer sass von 1999 bis 2004 für die SP im Nationalrat. Danach amtete er bis Mai 2019 als Gesundheits- und Fürsorgedirektor in der Waadtländer Kantonsregierung. Von 2004 bis 2008 war Maillard auch Vizepräsident der SP Schweiz. Seit 2019 ist er wieder für die SP im Nationalrat.

Was erwarten Sie vom Treffen in Brüssel?

Wir werden im Gewerkschaftskomitee eine Resolution diskutieren, welche die Position der Schweiz noch klarer unterstützt.

Ist es nicht ein wenig spät?

Nein. Die Diskussion wird noch lange dauern. Wir sind noch weit von einer Lösung entfernt beim Rahmenabkommen. Wir sind seit langem ganz klar gegen das vorliegende Abkommen. Jetzt ist das Schweizer Parlament zwar nicht hinter uns, aber beim Lohnschutz der gleichen Meinung. Wir wollen wie das Parlament Neuverhandlungen und dabei den Lohnschutz verteidigen und schützen.

Die EU sagt klar, es gebe keine Neuverhandlungen?

Wir nehmen Kenntnis davon. Dann hat dieses Abkommen keine Chance. Bei uns und sogar im Parlament ist keine Partei dezidiert für das Abkommen.

In wenigen Tagen droht die Börsenäquivalenz auszulaufen. Nehmen Sie diese Eskalation in Kauf?

Das ist nicht unsere Wahl. Wir wollen keine Eskalation. Wir sind dafür, dass die Kohäsionsmilliarde bezahlt wird, selbst wenn die Börsenäquivalenz nicht gewährt wird. Als politisches Signal, dass es nicht Rosinenpickerei ist, sondern dass es um legitime und vitale Interessen der Schweiz geht.

Vielen sind auch die bilateralen Beziehungen sehr wichtig. Wo sehen die Gewerkschaften Möglichkeiten einer EU-konformen Lösung mit dem geforderten Lohnschutz?

Es gab Falschinterpretationen, wonach alles von dieser Acht-Tage-Regelung abhänge. Aber das ist nicht der Fall. Die Schweiz hat einen guten, wenn auch noch nicht genügenden Lohnschutz auf bundesgesetzlicher Ebene. Dieser entzieht sich mangels Verfassungsgerichtsbarkeit auch der bundesrichterlichen Kontrolle. Mit dem jetzigen Abkommen erhielte der Europäische Gerichtshof einen entscheiden Einfluss auf die Kontrolle unserer gesetzlichen Grundlagen. Das ist das Grundsatzproblem. Das muss gelöst werden, um einen autonomen Lohnschutz zu behalten.

Wie kann das gehen mit einem Lohnschutz ausserhalb der dynamischem Rechtsübernahme, wo die EU doch nicht einlenken wird?

Darum ist es so schwierig. Wir haben auch eine Besonderheit im Service public, welche die EU nicht hat. Der Service public ist in der Schweiz besser garantiert als in vielen EU-Ländern. Als Gewerkschaften bieten wir aber Hand in allen Fragen, wo wir Solidarität zeigen können. Sei es beim Kohäsionsfonds, sei es in einigen Bereichen der Unionsbürgerrichtlinie, wo wir soziale Rechte von Arbeitnehmenden in Europa beschliessen können. In dieser Richtung können wir ein wenig mehr Solidarität zeigen.

Wäre eine weitere Eskalation der Anfang vom Ende der bilateralen Beziehungen?

Natürlich ist die Gefahr da. Es gibt Druck und Gefahren und man muss sorgfältig handeln. Das ist es wert. Wir wollen die bilateralen Verträge retten und weiterentwickeln. Aber nicht um jeden Preis. Vor allem nicht bei Löhnen und Service public. Sonst wird die Schweizer Bevölkerung Nein sagen. Die Menschen werden diesen Druck nicht tolerieren.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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