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Ringen um Rahmenabkommen Was hat der Aussenminister im Sinn?

Cassis prescht mit zustimmenden Aussagen zum Rahmenabkommen vor. Ist es eine Reaktion auf die jüngste Kritik aus der EU?

Darum geht es: Zu dritt sind sie vor zwölf Tagen vor die Medien getreten, die Bundesräte Berset, Maurer und Cassis. Sie teilten nach viereinhalb Jahren Verhandlungen mit, dass sie das Rahmenabkommen mit der EU nicht unterschreiben, sondern zuerst in die Anhörung schicken wollen. Beim sehr austarierten Auftritt ging es darum, es sich weder mit der EU noch den Betroffenen in der Schweiz zu verscherzen. Jetzt tanzt allerdings Aussenminister Ignazio Cassis aus der Reihe und votiert in einem NZZ-Interview klar für das Rahmenabkommen.

Die Argumente von Cassis: Cassis argumentiert vor allem wirtschaftlich: Geordnete Verhältnisse mit der EU seien für die Wirtschaft wichtig. Falls die Bilateralen erodierten, drohe eine Abwanderung von Firmen und Arbeitsplätzen. Der Entwurf des Rahmenvertrags entspreche zu 80 Prozent den Wünschen der Schweiz. Damit macht Cassis als erster Bundesrat eine klare Wertung zum umstrittenen Abkommen. Er stellt auch fest, dass die Schwächung des Lohnschutzes nicht so dramatisch sei, wie dies die Gewerkschaften darstellen.

Aspekt Kollegialität: Mit den Aussagen stelle sich Cassis nicht gegen das Kollegialitätsprinzip, sagt Bundeshausredaktorin Priscilla Imboden. Als Aussenminister verantworte er das ausgehandelte und nun in der Schweiz diskutierte Abkommen: «Da darf und muss er sogar die Vor- und Nachteile aufzeigen können, sonst kann er gar keine Debatte führen.»

Reaktion auf Hahns Kritik: Am Montag hatte EU-Kommissar Johannes Hahn verdeutlicht, dass er sich mit Cassis auf einen «endgültigen und gemeinsamen» Text des Rahmenabkommens geeinigt habe. Damit bezichtigte er den Schweizer Aussenmininister quasi der Falschdarstellung. Denn dieser hatte vor den Medien bezüglich Text nur von einer teilweisen Einigung mit der EU-Kommission gesprochen.

Das bleibt ungelöst: Mit dem NZZ-Interview gelinge Cassis nicht wirklich ein Befreiungsschlag, stellt Imboden fest. Cassis spreche mittlerweile von einem Missverständnis, denn eigentlich sei man sich ganz einig zwischen der Schweiz und der EU. Das stimmt aber nicht ganz. Der Bundesrat sagte wörtlich, dass einzelne Punkte des Vertrags – namentlich den Lohnschutz – kein Verhandlungsergebnis, sondern nur ein Angebot der EU seien. Denn die Schweiz habe den betreffenden Aspekt gemäss Mandat nicht verhandeln dürfen, weil er eine rote Linie darstellt.

Die EU hingegen bestehe darauf, dass der ganze Text zum Verhandlungsergebnis gehört. Letztlich spielt es aber keine Rolle, wie man diesen Text schreibe, erklärt Imboden: Denn die Schweiz könne nur zum ganzen heute vorliegenden Rahmenabkommen Ja oder Nein sagen.

Denkfabrik Avenir Suisse bestreitet Lohndruck aus EU

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Beim Rahmenabkommen wird in der Schweiz seit Monaten vor allem um den Lohnschutz für Inländer gestritten. Lohndruck wird von Kurzaufenthaltern und entsandten Mitarbeitern von EU-Firmen befürchtet, aber auch von Selbständigerwerbenden, die in der Schweiz Aufträge ausführen.

Marco Salvi von der Denkfabrik Avenir Suisse hat auf der Basis von öffentlichen Daten berechnet, dass Kurzaufenthalter jährlich total neun Millionen Arbeitsstunden leisten. Mengenmässig sei dies mit einem Anteil von 0,7 Prozent am gesamten Arbeitsmarkt derart gering, dass gar kein Lohndruck entstehen könne. Avenir Suisse wolle damit die Relationen aufzeigen, betont Salvi. Denn beim Rahmenabkommen gehe es um die gesamte Volkswirtschaft und der beste Lohnschutz bleibe das Wachstum. Dafür seien institutionelle Abkommen von grösserer Bedeutung als punktuelle Massnahmen.

Beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) widerspricht Chefökonom Daniel Lampart, ohne die Zahlen in Frage zu stellen. Diese seien nämlich dank der flankierenden Massnahmen so tief: «Ohne diese droht ein Dammbruch. Dann können mit tiefsten polnischen Löhnen in der Schweiz Arbeiten erledigt werden und die Schweizer Unternehmen sind nicht mehr konkurrenzfähig. Dagegen kämpfen wir.» Lampart vermutet, dass Avenir Suisse mit den Berechnungen die Gesamtarbeitsverträge torpedieren will, die gerade durch die Flankierenden breitere Geltung erhalten haben. Eine Million Arbeitnehmer sind heute einem GAV unterstellt und entsprechend besser vor Lohn- und Sozialdumping geschützt.

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