Bondo, Brienz/Brinzauls, Blatten – Namen, die sich ins Gedächtnis eingebrannt haben. Namen, die für Katastrophen stehen und erinnern, wie riskant das Leben in den Bergen sein kann.
Weil sich durch den Klimawandel und die intensive Nutzung des Lebensraums die Risiken verschärfen, verfolgt das Bundesamt für Umwelt seit rund 20 Jahren ein sogenanntes integrales Risikomanagement. Dieses setzt nicht allein auf Schutzbauten, sondern auf eine breite Palette von Massnahmen – auch auf Dialog mit der Bevölkerung.
Erster Risikodialog in Graubünden
Ein solcher Risikodialog fand diese Woche im bündnerischen Val Müstair statt. Rund 50 Personen kamen, um sich über lokale Risiken zu informieren – und um zu diskutieren, wie man sich schützen kann. Es ist der erste solche Risikodialog in Graubünden.
Geleitet wurde der Anlass von Christian Gartmann, Mediensprecher von Brienz/Brinzauls. Dabei gehe es nicht nur um Naturgefahren, betont Gartmann: «Es gibt auch Gemeinden, in denen am Bahnhof grosse Mengen Treibstoff umgeschlagen werden – ein Risiko, das der Bevölkerung vielleicht gar nicht bewusst ist.»
Vor Ort waren zudem die Gemeindepräsidentin, Vertreter von Zivilschutz und Militär sowie der Förster.
Information oder Angstmacherei?
Zwar liegen Teile des Val Müstair in einer roten Gefahrenzone, aktuell besteht jedoch keine akute Bedrohung. Sorgt ein Informationsabend über Murgänge und Waldbrände denn nicht eher für Beunruhigung? «Nein, auf keinen Fall», sagt Gartmann. «Die Risiken sind bekannt, aber vielen fehlt das Bewusstsein dafür.»
Der Dialog solle sensibilisieren, nicht erschrecken. Ziel sei es, Schäden zu mindern, durch Aufklärung und Hilfe zur Selbsthilfe. «Wenn man sich schon vorher überlegt, was zu tun ist, wenn der Bach über die Ufer tritt, kann man im Ernstfall rascher reagieren.»
Positive Resonanz nach erstem Risikodialog
In der Fragerunde ging es um die Kosten, welche der Gemeinde für Schutzbauten entstehen, um die Häufigkeit der Aktualisierung von Gefahrenkarten sowie um Bauten, die den Eindruck erwecken, nicht zu funktionieren.
Die Rückmeldungen nach dem ersten Risikodialog fielen durchwegs positiv aus. «Für mich war es ein sehr wichtiger Abend», sagt ein Besucher aus Santa Maria – jenem Dorf, über dem ein instabiler Hang liegt. «Es ist wie ein Damoklesschwert. Es war wichtig für mich, zuzuhören, wie man damit umgeht.» Besonders vor Grossanlässen wie dem Erntedankfest mit bis zu 5000 Menschen fehle bislang der offene Austausch: «Man weiss nicht, wie man reagieren soll, wenn etwas passiert.»
Ein anderer Teilnehmer war beeindruckt vom Aufwand der Gemeinde: «Es war spannend zu sehen, wie komplex das Ganze ist.» Konkrete Vorkehrungen für allfällige Gefahren will er aber vorerst nicht treffen.
Für eine Besucherin war die Veranstaltung vor allem hilfreich, um die Gefahrenlage im Tal besser einzuordnen – «gerade weil die Risiken zunehmen». Das bestätigt auch Jörg Clavadetscher, der Leiter des Forstamtes: «Heftige Gewitter haben in den letzten Jahren bei uns zugenommen.» Dadurch nehme die Aktivität an Murgängen zu.
Es wird nicht der letzte Abend im Bergkanton sein, an dem sich die Bevölkerung über die Gefahren des Lebens in den Bergen informieren und austauschen kann, sagt Pascal Porchet, Leiter des Bündner Amts für Militär und Zivilschutz. «Die Gefahren in den Bergen nehmen zu. Deshalb ist der Austausch mit der Bevölkerung wichtig.»