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Geschäftsmodell Naturgefahren Technologie zur Überwachung der Natur wird immer gefragter

Blatten konnte nur dank Überwachung rechtzeitig evakuiert werden. Ein Einblick in Technologien, die Leben retten.

Wenn Berge für den Menschen gefährlich werden – wie erkennt man das? Auf die Überwachung von Naturgefahren haben sich verschiedene Schweizer Firmen spezialisiert. Eine unter ihnen ist Geopraevent mit Sitz in Zürich.

SRF trifft PhysikerJohannes Gassner in Brienz/Brinzauls GR – dort, wo sich 2023 ein massiver Bergsturz ereignete. Der Schuttstrom machte wenige Meter vor dem bewohnten Gebiet halt. Die Gefährdung ist weiterhin da, zuletzt wurde das Dorf am 17. November 2024 evakuiert.

Veränderungen auf einen Millimeter genau

Geopraevent überwacht seit 2019 den Berg und hat sein System am Gegenhang aufgebaut. Zum Einsatz kommt Radartechnologie. Sein System könne ein Gebiet von der Grösse von 1000 Fussballfeldern überwachen, sagt Gassner, «und wir können aus einer Distanz von fünf Kilometern sagen, ob sich ein Stein um einen Millimeter bewegt hat.» Radar habe auch den Vorteil, dass es durch eine Wolkendecke hindurch funktioniere. Eine Kamera sei bei Nebel blind.

Mit Energie versorgt wird das System durch Solarzellen und, falls diese nicht ausreichen, einer Brennstoffzelle, die Methanol in Energie umwandelt. Mit 60 Watt ist die Leistung mit einer Glühbirne vergleichbar.

Die Überwachung durch Geopraevent ist in einer solchen Gefahrenzone essenziell und muss zuverlässig laufen. Johannes Gassner erklärt: «Wenn das Radar eine Stunde ausfällt, schliessen sie im Tal die Kantonsstrasse und die Bahnlinie der Rhätischen Bahn, weil man nicht mehr sagen kann, was im Krisengebiet passiert.»

Kantone investieren mehr

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SRF hat mehrere Bergkantone gefragt, ob sie mehr Geld für die Überwachung von Naturgefahren ausgeben.

  • Im Wallis bat die Dienststelle Naturgefahren des Departements für Mobilität, Raumentwicklung und Umwelt um Verständnis, dass man keine Zeit habe, diese Frage zu beantworten. Die Angestellten seien mit der Bewältigung der aktuellen Krise im Lötschental beschäftigt.
  • Der Kanton Glarus schreibt, die Investitionen für die Frühwarnung und Überwachung seien seit 2016 stetig gestiegen. Bis 2019 seien 1.1 Millionen Franken investiert worden. In den vier Folgejahren seien es bereits 2.9 Millionen gewesen. Die Hauptabteilung Umwelt, Wald und Energie fügt hinzu: «Aufgrund der Sparmassnahmen des Bundes für die Periode 2025 bis 2028 steht für den Schutz vor Naturgefahren weniger Geld zur Verfügung, als benötigt würde.»
  • Der Kanton Graubünden teilt mit, dass die Anzahl der Frühwarnsysteme seit 2012 konstant zugenommen habe. Auch personell habe man um zwei bis drei Personen aufgestockt. Für die Periode 2025 bis 2028 betrügen die Gesamtkosten für den Schutz vor Naturgefahren rund eine halbe Million Franken, früher war es noch halb so viel. Ausserordentliche Ereignisse wie Brienz kosteten über die nächsten vier Jahre alleine 4 Millionen Franken.
  • Bern kann keine Zahlen zu den Änderungen bei den Überwachungssystemen liefern. Der Abteilungsleiter Naturgefahren schreibt aber: «Die Überwachung von einzelnen Gefahrenstellen hat gefühlsmässig in den letzten Jahren eher zugenommen. Aus meiner Sicht ist die Hauptursache dieser Zunahme aber weniger die Veränderung in der Natur als die technische Entwicklung, welche Möglichkeiten bietet, die es früher noch nicht gab.»

Eine zweite Firma ist Terradata, ursprünglich gegründet in Einsiedeln und heute mit sieben Standorten in der Schweiz vertreten. Sie ist aktuell im Lötschental im Einsatz und überwacht die Bewegungen des Schuttkegels bei Blatten. Martin Rub ist Teamleiter für Monitoring.

Rub steht am Rande der Sperrzone. Seine Drohne fliegt derweil zwischen Blatten und Wiler umher. Pro Flug mache sie 500 bis 600 Bilder und übermittle diese nach der Landung über eine Satellitenfunkverbindung an das Unternehmen. Martin Rub sagt: «Wir machen diese 3D-Vermessung, damit die Experten sehen, was der Schaden ist, wie gross das Volumen der Schuttmassen ist und wie sie sich verändern.»

Seine Drohne unterscheide sich von herkömmlichen Modellen. «Sie kann automatisiert werden und zu vorgegebenen Zeiten und Orten Bilder in hoher Auflösung machen», so Rub. Damit ist kein Personal vor Ort nötig, was auch Kosten spare.

In den vergangenen drei Jahren habe das Unternehmen den Umsatz im Monitoring-Bereich um 10 bis 12 Prozent gesteigert, sagt Martin Rub. «Die Sensibilität bei den Projektverantwortlichen ist gestiegen.» Seine Auftraggeber seien unter anderem Bergbahnen und kantonale Naturgefahren-Ämter.

Schweiz mit Vorreiterrolle

Auch Johannes Gassner von Geopraevent hat deutlich mehr Aufträge für sein Radarsystem. Allerdings nicht, wie man meinen könnte, in der Schweiz. Dieser Markt sei gut gesättigt. «Unser Wachstumsmarkt ist international», so Gassner. Aktuell sei die Nachfrage gross in Norwegen, Frankreich und Nordamerika.

Die Schweiz habe eine Vorreiterrolle in der Technologie zur Überwachung von Naturgefahren. Johannes Gassner ist überzeugt: «Es gibt kein anderes Land auf der Welt, das so gut organisiert ist und wo die Fachkräfte so gut geschult sind.»

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Glückskette sammelt für Blatten

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QR-Code

Die Glückskette hat eine Sammelaktion gestartet für die Betroffenen im Lötschental. Spenden kann man unter anderem via QR-Code sowie auf der Website der Glückskette.

10 vor 10, 4.6.2025, 21:50 Uhr; sten

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