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Rückkehr zur Schul-Normalität «Das mit dem Halbklassen-Unterricht finden wir keine gute Idee»

Der Bundesrat hat entschieden, dass am 11. Mai an den obligatorischen Schulen in der Schweiz wieder unterrichtet werden soll. Die konkreten Bedingungen für den Schulunterricht müssen allerdings die Kantone festlegen. Das stellt die Lehrerschaft vor grosse Herausforderungen, wie Thomas Minder, der Vertreter der Schulleiter, sagt.

Thomas Minder

Präsident des Schulleiterverbands

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Thomas Minder ist seit 2019 Präsident des Verbands Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz (VSLCH). Davor war er Präsident des Thurgauer Schulleiterverbands.

SRF News: Der Bundesrat lässt den Kantonen grossen Spielraum bei der Umsetzung seines Entscheids. Was stört Sie daran?

Thomas Minder: Wir befürchten, dass es zu einem riesigen Flickenteppich kommt, indem die diversen Massnahmen unterschiedlich umgesetzt werden.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Wir haben Bedenken, dass es Kantone gibt, die für eine gewisse Zeit Halbklassen-Unterricht einführen werden. Es ist schwer nachvollziehbar, warum der eine Kanton das macht, ein anderer jedoch nicht.

Ist es nicht sinnvoll, wenn die Kantone selbst entscheiden, was angebracht ist?

Ja, das könnte man so sehen. Allerdings wurde in den vergangenen Wochen mit einer Stimme kommuniziert. Jetzt sind die Kantone wieder aufgerufen, selbst Lösungen zu erlassen.

Halbklassen-Unterricht überfordert das System Schule in organisatorischer Hinsicht.

Hätten Sie einen Plan, an was man sich halten könnte?

Das mit den Halbklassen finden wir wie erwähnt keine gute Idee. Was passiert, wenn eine halbe Klasse zur Schule kommt und der Rest der Klasse zu Hause bleiben müsste?

Wenn wir Halbklassen-Unterricht geben, werden wir mehr Lehr-oder Betreuungspersonen brauchen.

Mittlerweile arbeiten ja nicht nur Eltern mit systemrelevanten Berufen wieder, sondern auch viele andere. Ihre Kinder müssen betreut werden. Es wäre paradox, wenn Kinder zur Schule kommen, aber nicht in die Klasse gehen dürften, sondern ins Betreuungsangebot müssten.

Braucht es dafür mehr Lehrkräfte?

Wenn wir Halbklassen-Unterricht geben, werden wir so oder so mehr Lehr-oder – Betreuungspersonen brauchen, weil die einen Kinder unterrichtet und die anderen teilweise betreut werden müssten. Weiter befürchten wir, dass es für vulnerable Lehrpersonen Ersatz brauchen wird, wie auch für Lehrerinnen und Lehrer, die krank werden.

Werden Sie Lehramts-Studierende einsetzen, oder an wen denken Sie?

Ja, und es gibt Leute, die Lehrpatente haben, aber im Moment nicht berufstätig sind. Seit gestern Mittwoch habe ich bereits drei diesbezügliche Vorschläge bekommen. Im Allgemeinen hilft es nicht viel, wenn die Leute irgendwo in der Schweiz sind und dann mir schreiben. Ein Mail kam allerdings aus meinem Dorf. Eine Lehrperson, die zurzeit nicht berufstätig ist, hat mir konkret ein Angebot gemacht. Das ist fantastisch.

Im Konzept des Bundes steht, dass man Oberflächen, Schalter, Fenster, Türen und so weiter regelmässig mehrmals täglich reinigen soll. Ist das realistisch?

Das ist eine grosse Aufgabe, doch sie ist machbar. Dafür braucht es zusätzliches Reinigungspersonal. Vielleicht wird man die Oberflächen einmal über Mittag und direkt nach dem Unterricht ein zweites Mal putzen müssen. Es wird sich zeigen, wie die Kantone das vorschreiben.

Kommen wir noch einmal auf den befürchteten Flickenteppich zurück. Was ist Ihr Hauptziel in den nächsten Tagen?

Uns liegt viel daran, dass die kantonalen Erziehungsdirektoren nicht auf Halbklassen-Unterricht einschwenken. Unseres Erachtens überfordert das das System Schule in organisatorischer Hinsicht.

Der 11. Mai kommt schon bald. Reicht die Zeit, um sich genügend vorbereiten zu können?

Sie wird reichen müssen.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News; 30.04.2020; 06:20 Uhr ; 

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