Unter welchen Bedingungen Saisonarbeiter in der Schweiz arbeiten, ist weitgehend unklar. Weder Bund noch Verbände wissen, wie viel sie verdienen oder wie lange ihre Tage tatsächlich sind. Denn die Landwirtschaft ist als einzige Branche nicht Teil der Lohnstatistik des Bundes, weil sie vom Arbeitsgesetz ausgenommen ist. Darum sei beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco auch niemand für die Arbeitsbedingungen zuständig, schreibt das Seco auf Anfrage.
Gesellschaft sollte die Menschen schätzen
Es gibt noch immer Tausende Arbeitskräfte, die saisonweise in der Schweiz arbeiten. Matija Nuic, Direktor des Verbands Schweizer Gemüseproduzenten, sagt: «Wir sind auf europäische Arbeitskräfte angewiesen. Schlussendlich sind es Menschen, die diese Arbeit für uns hier in der Schweiz verrichten, weil in der Schweiz wirklich niemand mehr oder fast niemand mehr bereit ist, diese Arbeit selbst zu machen.»
Ihre Tage sind lang, die Löhne tief. Wir als Gesellschaft sollten diese Menschen schätzen, sagt Nuic. Es sind vor allem Polen, Rumänen und Portugiesen. 2024 waren beim Staatssekretariat für Migration SEM 28'000 Personen gemeldet, die für weniger als ein Jahr in der Landwirtschaft gearbeitet haben - im Sommer viel mehr als im Winter.
Ämter verweisen weiter
Das Bundesamt für Landwirtschaft weiss nicht, wie viele Menschen saisonweise in der Landwirtschaft arbeiten und verweist ans Bundesamt für Statistik. Dieses erhebt zwar, wer in der Landwirtschaft arbeitet, die saisonalen Angestellten kommen aber kaum vor. Das zeigt ein Vergleich der Zahlen der beiden Bundesämter. Insgesamt arbeiten laut Bundesamt für Statistik nur rund 19'000 Ausländerinnen und Ausländer in der Landwirtschaft. Das ist ein Drittel weniger als beim SEM schon nur für eine Saison gemeldet sind.
Der Grund für die Diskrepanz: Das Bundesamt für Statistik erhebt die Landwirtschaftszahlen im Januar, also dann, wenn kaum saisonale Arbeitskräfte in der Schweiz sind. Für mehr Informationen verweist das Bundesamt an den Bauernverband. Dieser schreibt, man wisse leider nur sehr wenig zum Thema. Und auch der Verband der Schweizer Gemüseproduzenten erhebt keine Zahlen.
Wohl prekäre Arbeitsbedingungen
Ohne Zahlen könne man auch die Arbeitsbedingungen nicht überprüfen, sagt Sandra Contzen, Agrarsoziologin an der Berner Fachhochschule: «Aufgrund von verschiedenen Medienberichten und Berichten von NGOs gehen wir davon aus, dass die Arbeitsbedingungen für die Saisonarbeitskräfte sehr prekär sind. Aber wir wissen es nicht genau.» Contzen würde gerne mehr wissen, aber für diese Personen gebe es in der Schweiz keine Lobby. Es werde in der Schweizer Landwirtschaft auch nicht viel Geld für saisonale Erntehelfer gesprochen.
Solange es keine Erhebungen zu den Arbeitsumständen der Erntearbeiter gibt, kann auch niemand fordern, dass sich etwas ändern müsste.