Sie stechen Spargeln, pflücken Erdbeeren und ernten Schweizer Gemüse: saisonale Angestellte in der Landwirtschaft. Die Arbeitsbedingungen seien hart, sagt Matija Nuic, Direktor des Verbands Schweizer Gemüseproduzenten. Es sind vor allem Polen, Rumänen und Portugiesen, die diesen Job machen.
Letztes Jahr haben mindestens 28'000 Personen für eine Saison in der Schweizer Landwirtschaft gearbeitet. Wie viele es genau sind und zu welchen Bedingungen sie arbeiten, weiss weder der Bund noch der Verband der Gemüseproduzenten.
Sehr tiefer Lohn
Klar ist: Die Tage auf dem Feld sind lang, die Löhne tief. 55-Stunden-Wochen gelten in der Branche als normal. Im Sommer können es auch wesentlich mehr sein. Dafür ist ein Monatslohn von 3450 Franken üblich, abzüglich 990 Franken für Kost und Logis. So jedenfalls lautet die Empfehlung der Branchenverbände.
Wenn man die Löhne der Saisonarbeiter mit jenen im europäischen Umland vergleicht, sind es hohe Löhne.
Im Vergleich zu anderen Tieflohnbranchen in der Schweiz ergeben sich daraus sehr tiefe Stundenlöhne. «Wenn man es aber mit dem europäischen Umland vergleicht, sind es hohe Löhne», sagt Nuic. Auch seien die Leute saisonal in der Schweiz – und bei ihnen zu Hause sei die Kaufkraft dann ungleich höher als in der Schweiz.
Trotzdem stellt sich die Frage: Sind diese Arbeitsbedingungen fair? Klar ist: Sie sind legal. Die Landwirtschaft untersteht nicht dem Arbeitsgesetz. Jeder Kanton erlässt zwar Regeln in sogenannten Normalarbeitsverträgen, diese sind aber nicht bindend. Wenn Arbeitgeberin und Arbeitnehmer etwas anderes vereinbaren, dann dürfen sie das, auch wenn es den Arbeitnehmer schlechter stellt.
Alle müssten mehr bezahlen
Der Verband Schweizer Gemüseproduzenten möchte die Arbeitszeit seit Längerem schweizweit auf 49.5 Stunden pro Woche begrenzen, sagt Nuic. Einige Kantone haben das bereits getan, zum Teil braucht es dort Schichtbetrieb. Nicht alle Arbeiter seien damit glücklich, viele wollten möglichst viel arbeiten, um dann rasch wieder abzureisen, so Nuic.
Dieses Problem liesse sich mit einem gleichzeitig höheren Stundenlohn lösen, wofür sich auch Nuic grundsätzlich offen zeigt. Dann müssten aber auch alle mitziehen: Die Produzenten müssten von den Detailhändlern dafür entschädigt werden, die Konsumentinnen und Konsumenten müssten mehr für die Produkte bezahlen.
Die Migros schreibt auf Anfrage, die Arbeitsbedingungen seien Sache der Betriebe und Verbände. Coop geht davon aus, dass in der Schweiz der Gesetzgeber wirksame Rahmenbedingungen schaffe und durchsetze.
Bio-Label nicht viel besser
Die strengsten sozialen Anforderungen hat wohl Biosuisse. Aber auch der Dachverband von Organisationen der biologischen Landwirtschaft verlangt lediglich die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und Richtlinien der Branchenverbände und zudem schriftliche Verträge.
Biosuisse-Sprecher David Herrmann sagt, der Fokus liege auf Südeuropa, wo die Arbeitsbedingungen noch viel schlechter seien. Darum überprüft Biosuisse neuerdings die Arbeitsbedingungen in den dortigen Knospe-Betrieben. Und: Höhere Standards zu verlangen, wäre aber auch in der Schweiz möglich, aber das koste, heisst es von Biosuisse.
Der Rekordumsatz von Max Havelaar zeigt, dass es in der Schweiz durchaus eine Bereitschaft gibt, mehr für faire Produkte zu bezahlen – zumindest für Waren aus Übersee. Aber bei Schweizer Gemüse und Früchten im Detailhandel haben Konsumenten und Konsumentinnen schlicht keine Wahl.