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Sanität im Kriegsfall Spitäler und Armee wären bei Krieg und Terror überfordert

Experten, Bund und Armee sind besorgt. Die Sanität in der Schweiz ist weder auf einen Terroranschlag noch auf einen möglichen Krieg vorbereitet. Spitäler könnten im Alltag nur 25 Schwerverletzte aufnehmen. Was muss jetzt geschehen?

Ein Bunker unter dem Spital Pourtalès in Neuenburg. Soldaten schieben Spitalbetten umher und bereiten unterirdische Operationssäle vor. Das Spitalbataillon 66 probt den Ernstfall. «10 vor 10» besucht mit Brigadier Meinrad Keller die Truppen. «Die Armee unterstützt zivile Einrichtungen wie Spitäler. Je nach Eskalationsstufe hilft sie auch in der Pflege», sagt er.

Bereit für den Ernstfall? Der Schein trügt. Für einen Krieg wie in der Ukraine wäre die Sanitätstruppen nicht gewappnet – der Brigadier gibt es selbst zu: «Es bereitet mir Kopfschmerzen, weil sowohl die Armee als auch die zivilen Mittel nicht reichen, um Kapazitäten wie im Ukrainekrieg zu bewältigen.»

Spitäler stossen schnell an Grenzen

Auch auf einen Terroranschlag wie jener in New Orleans an Neujahr mit 15 Todesopfer und über 30 Verletzten wäre das Schweizer Gesundheitssystem nicht vorbereitet. So stellte das Fedpol 2023 in einem Bericht fest, dass «bei Terrorszenarien ein Mangel an medizinischer Ausbildung und Know-how besteht» und «dass die ständige schweizweite Aufnahmekapazität für Schwerstverletzte bei ca. 20-30 Personen liegt.» Die grossen Schweizer Spitäler können laut Fedpol durchschnittlich nur zwei Schwerverletzte auf einmal aufnehmen.

Warum so wenig? Claudio Leitgeb vom Krisenstab des Universitätsspitals Zürich zeigt «10 vor 10» einen Schockraum auf der Notfallstation. «Hier werden die lebensbedrohlich Verletzten sofort behandelt.» Im Alltag käme man bereits bei fünf Schwerverletzten an die Grenzen. Bei einem Ernstfall könnten zwar die Kapazitäten erhöht werden, doch die Behandlung brauche viel Personal. «Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, kann es das Unispital nicht alleine richten.» Im Gegensatz zu den meisten anderen Schweizer Spitäler hat das Unispital Zürich den Ernstfall schon geübt.

Beim Bund ist klar: Es besteht grosser Handlungsbedarf. So räumt Tenzin Lamdark, Beauftragter des Koordinierten Sanitätsdiensts beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz, ein: «Wir haben in der Schweiz eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Das gibt uns manchmal die falsche Sicherheit, dass wir für Dinge, die wir zum Glück noch nie erlebt haben, auch vorbereitet wären. Das ist aber nicht der Fall.»

Lamdark hat konkrete Handlungsfelder definiert, wie sich Bund und Kantone zusammen besser auf einen Ernstfall vorbereiten können. Es bräuchte unter anderem besser ausgebildetes Personal, Notfallkonzepte und genügend gesicherte Behandlungsplätze.

Wer soll die Aufrüstung finanzieren?

Für Mathias Zürcher vom Schweizer Zentrum für Rettungs-, Notfalls- und Katastrophenmedizin gehen die Bestrebungen des Bundes zwar in die richtige Richtung, aber zu wenig weit. Man müsse jetzt in Fachkräfte investieren. «Das braucht Geld. Das ist sehr aufwendig», sagt Zürcher. Doch das Geld fehle. Tenzin Lamdark vom Bevölkerungsschutz betont: «Wir machen schon heute, was wir können.»

Noch in diesem Jahr will der Bundesrat einen Bericht zur Aufrüstung im Gesundheitswesen verabschieden. Doch die Frage, wer die Projekte finanzieren soll, bleibt. Bund und Kantone wollen sparen. Im Sanitätsbunker ist Brigadier Meinrad Keller überzeugt: «Es braucht massive Investitionen im Gesundheitswesen, um nur annähernd der Flut von Patienten in einem Ereignisfall gerecht zu werden.»

10vor10, 22.5.2025, 21:50 Uhr;liea

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