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Die etwas anderen News Genussfeindlichkeit mal nüchtern betrachtet

«Mocktail» ist die Bezeichnung für einen Cocktail, über den man sich mokiert. Zurecht, findet die Kabarettistin Lisa Catena. Die wirtschaftlichen und bildungspolitischen Folgen der neuen Genussfeindlichkeit sind verheerend. Die Prozente unseres Bruttosozialprodukts brauchen dringend mehr Promille.

Lisa Catena

Kabarettistin

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Wenn Politik auf Pointen trifft, ist Lisa Catena nicht weit. Als Host der «Satire Fraktion» im Spasspartout auf SRF 1 betrachtet sie das politische Geschehen im Bundeshaus vierteljährlich durch die ironische Lupe. Der Berner Satirikerin, Moderatorin, Musikerin und Kolumnistin gelingt immer wieder der Spagat zwischen scharfer Analyse und feinem Humor. Aktuell spricht sie als Expertin für Künstliche Intelligenz, Kreativität und Digitalisierung auf verschiedenen Panels.

Ich bin ja keine Pessimistin – aber selbst ich sehe jetzt schwarz für die Zukunft. Denn: Immer mehr Bars und Theater müssen schliessen, weil die Leute keinen Alkohol mehr trinken. Der Konsum sinkt drastisch. Aus dem Negroni wird plötzlich nur noch ein «oni». Vor allem die Jungen trinken höchstens noch Mocktails. Jack Daniels würde sich im Grab umdrehen ob diesen Umständen. Ein Mocktail ist die Pantomime unter den Drinks – tut nur so.

Ja, Herrgöttli nochmal, Gott hat uns doch keine Leber geschenkt, um Rivella abzubauen!

Bars, Clubs und Theater machen dicht, weil sich Kunst nicht rechnet – aber Bier, Wein und Whiskey-Cola schon. Wer steht bitte bis 4 Uhr morgens an der Bar und schüttet Mocktails in sich hinein?

Wie stellen die sich das vor? Betreutes Trinken für Jugendliche?

Jetzt soll also der Staat das Bar-Sterben verhindern, wie diverse Initiativen fordern. Wie stellen die sich das vor? Betreutes Trinken für Jugendliche? Sozialarbeiter, die vorsichtig auf den Kater am nächsten Tag vorbereiten?

Und dann die Steuern auf den Alkohol. Was dem Staat durch die Abstinenz entgeht, fehlt bei der Bildung – also jener Bildung, mit der frühere Generationen den Wohlstand aufgebaut haben, bevor sie ihn mit Cognac wieder abbauten.

Wenn man sich im Ausgang die Leute nicht mehr schöntrinken kann, gibt’s halt weniger Nachwuchs.

Das Einzige, was noch schneller sinkt als der Alkoholkonsum, ist die Geburtenrate. Wenn das so weitergeht, arbeitet ein einziges Kind bald für vier Alte. Das geht, ganz nüchtern betrachtet, nicht auf. Und keiner soll mir erzählen, dass sinkender Alkoholkonsum und Geburtenrückgang nichts miteinander zu tun haben! Wenn man sich im Ausgang die Leute nicht mehr schön trinken kann, gibt’s halt weniger Nachwuchs.

Oder stellen Sie sich eine «amour fou» auf Flauder-Basis vor: «Oh Schatz, ich verzehre mich nach dir – lass uns die ganze Nacht zusammen... Mineralwasser trinken». Romantik pur. Keine grosse Liebesgeschichte beginnt mit Vernunft und einem Rivella blau.

Lasst uns eine Portion Chardonnay ins System pumpen!

Mein Vorschlag: Warum nicht Longdrink-Gutscheine statt Kita-Gutscheine? Lasst uns eine Portion Chardonnay ins System pumpen und die Räder der Volkswirtschaft mit Caipirinha schmieren. Glückliche Eltern in vollen Bars, die nach dem zweiten Grappa selig über ein zweites Kind nachdenken – das wär’s doch! Okay, vielleicht werden die Bars so nicht wieder ganz voll, aber zumindest meine AHV wäre gerettet. Sogar die 13. Rente.

Und wenn’s soweit kommt, stosse ich mit euch an – und zwar nicht mit einem Mocktail!

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SRF 1, Zytlupe, 19.7.2025, 13:00 Uhr

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