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Schlechtes Weinjahr Winzer wollen sich dank «Klimareserve» auf dem Markt behaupten

In guten Jahren wird er deklassiert – nun soll der überschüssige Wein bei schlechter Ernte die Marktanteile retten.

Hagel und viel Regen – das Wetter dieses Sommers hat den Weinreben überall in der Schweiz stark zugesetzt. Entsprechend klein dürfte die Ernte ausfallen. Dadurch kommen weniger Schweizer Weine auf den Markt.

«Das Problem ist, dass wir bei so einer schwachen Ernte sofort Marktanteile verlieren», sagt Frédéric Borloz, Präsident des Schweizerischen Weinbauernverbands SWBV. Denn die Schweizer Winzer könnten nicht genug produzieren, um die Nachfrage zu decken. «Die Marktanteile dann wieder zurückzugewinnen, braucht viel Aufwand – und dauert Jahre», so Borloz. Dabei werde in üppigen Jahren oft zu viel Wein produziert. Der Waadtländer Nationalrat fordert darum eine sogenannte Klimareserve für Schweizer Wein.

Insbesondere die heftigen Unwetter mit Hagel haben dem Schweizer Wein dieses Jahr zugesetzt.
Legende: Insbesondere die heftigen Unwetter mit Hagel haben dem Schweizer Wein dieses Jahr zugesetzt, wie in dieser Aufnahme aus dem Sommer 2018 aus Dardagny bei Genf. Keystone

Denn um Weinqualität und -preis zu sichern, gibt es kantonal festgelegte Höchsterträge pro Flächeneinheit. Werden diese überschritten, muss der überschüssige Qualitätswein zu Tafelwein deklassiert werden. Mit einer Klimareserve könnten Winzer diesen Wein zurückbehalten und in schlechten Jahren, wenn zu wenig Wein produziert werden kann, auf den Markt bringen – so die Idee.

Bund fürchtet «administratives Monster»

Die Forderung der Winzer an sich ist nicht neu, sie erhält durch das schlechte Weinjahr aber eine neue Dringlichkeit. Für eine Lockerung der kantonalen Höchstmengen muss laut dem Bundesamt für Landwirtschaft das Bundesgesetz angepasst werden – somit müsste das Parlament entscheiden. Die Weinbranche hofft indes auf eine schnellere Änderung auf Verordnungsebene.

Adrian Aebi, Vizedirektor des Bundesamts für Landwirtschaft, hat zwar Verständnis für den Wunsch nach einer Klimareserve, steht «zusätzlichen Regulierungen» aber kritisch gegenüber. Der Aufwand dürfe den Nutzen nicht übersteigen. «Uns ist wichtig, dass daraus kein administratives Monster wird», so Aebi. Zudem soll das Risiko nicht allein durch die Weinbäuerinnen und Weinbauern getragen werden.

Markt-Simulation für Klimareserve funktioniert

Der Kanton Waadt wäre einer der Kantone, der von einer Klimareserve am meisten profitieren dürfte. Denn die Ernte-Schwankungen beim Chasselas, der wichtigsten angebauten Traubensorte, sind besonders gross. Die Waadt hat darum beim Schweizerischen Observatorium des Weinmarktes OSMV eine Studie in Auftrag gegeben. «Dank der Simulation des Marktes wissen wir nun, dass die Klimareserve funktionieren kann», sagt Olivier Viret, Leiter Spezialkulturen beim Kanton Waadt und Auftraggeber der Studie.

In Frankreich funktioniert dieses System, die Champagne ist dafür ein gutes Beispiel.
Autor: Olivier Viret Leiter Spezialkulturen Kanton Waadt

Die Kontrolle käme dabei den Branchenverbänden zu, so hielten sich Aufwand und Risiko in Grenzen. «In Frankreich funktioniert dieses System, die Champagne ist dafür ein gutes Beispiel.» Für die Schweiz sei wichtig, dass das System für Kantone und Winzer freiwillig wäre.

Trotz der Studie: Laut dem Bundesamt für Landwirtschaft besteht noch «eine Reihe offener Fragen und Probleme». Nebst grundlegender rechtlicher Fragen sei auch der Nutzen nicht klar: «Die Verschnitt- und Assemblage-Möglichkeit von verschiedenen Jahrgängen bietet genügend Spielraum», schreibt das BLW. Die Gespräche zwischen Bund, dem Weinbauernverband und dem Weinmarkt- Observatorium dauern an.

Tagesschau, 19.08.2021, 19:30 Uhr

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