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Schneeräumung auf dem Gotthard Passstrasse ohne Wintersperre: Das sind die Hürden

In Bundesbern fordert ein Vorstoss die ganzjährige Öffnung des Gotthardpasses. Was dies für den Unterhalt heissen würde.

Derzeit wird die Gotthard-Passstrasse für den Sommerbetrieb geräumt. Schwerstarbeit, wie ein Augenschein vor Ort zeigt. Ein gut 20-köpfiges Team ist am Werk.

Geleitet wird es seit 14 Jahren von Werner Gnos. Auf dem Kopf eine Wollkappe, im bärtigen Gesicht ein entspanntes Grinsen. Der Urner kennt hier jede Kurve. «Was an unserem Job spannend ist: Man kommt am Morgen an den Arbeitsplatz und weiss nie, was einen erwartet.»

Mann in roter Jacke und Sonnenbrille zeigt auf verschneite Bergstrasse.
Legende: Bloss die Strasse vom Schnee zu befreien, reicht nicht, sagt Werner Gnos. Auch die weissen Mauern an den Felswänden müssen weg. «Sonst könnten sie auf die Autos kippen.» Screenshot SRF

Rund sechs Wochen dauern die Arbeiten. Die Schneeräumung ist nur ein Teil davon. Gnos' Team flickt Löcher im Belag, stellt das Entwässerungssystem instand, nimmt die Tunnels wieder in Betrieb und entfernt lose Steine von den Felswänden.

Auch Leitplanken müssen wieder aufgebaut werden. Würden diese über den Winter stehen gelassen, könnte es böse Überraschungen geben. «Wenn eine Lawine runterdonnert, könnte es die Leitplanken kilometerweit wegreissen.»

Wind und Wetter geben den Takt vor

Schauplatzwechsel. Kurz vor der Passhöhe auf 2100 Metern über Meer frisst sich eine Schneefräse die Strasse entlang. Vor ihr ein Bagger, der dicke Schneemauern einreisst.

Wind und Wetter geben bei den Räumungsarbeiten den Takt vor. Immer wieder müssen die Arbeiten aus Sicherheitsgründen unterbrochen werden. Bei Wetterumstürzen manchmal für mehrere Tage. Werner Gnos sagt: «Wenn du hier oben arbeitest, musst du gern in der Natur sein – und gern frieren.»

Idee des ganzjährigen Betriebs ist umstritten

In Bundesbern ist ein Vorstoss hängig, der die ganzjährige Öffnung der Gotthard-Passstrasse fordert. Eingereicht hat ihn der Aargauer SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner.

Parteikollege Christian Imark, Nationalrat aus Solothurn, hat die Motion mitunterzeichnet. Seine Rechnung: Weniger Staustunden gleich mehr Kapazität auf dem Nord-Süd-Nadelöhr. «Mit dem ganzjährigen Betrieb würden wir eine zusätzliche Fahrspur Richtung Süden und Norden erhalten.»

Im Kanton Uri kommt diese Idee bei vielen nicht gut an. «Selbst wenn man alle Lawinenschutzmassnahmen vornehmen würde, bliebe die Situation am Gotthard gefährlich», sagt Ständerätin Heidi Z'graggen (Mitte/UR). Der Winter sei unberechenbar. «Den Pass das ganze Jahr über offen zu lassen, ist in Bezug auf die Sicherheit mehr als fragwürdig.»

Verschneite Berglandschaft mit Tunnelblick.
Legende: Die Gotthard-Passstrasse ist 26.1 Kilometer lang, beginnt in Andermatt und endet in Airolo. Keystone/Urs Flüeler

Zudem seien die Kosten immens: Die Investitionen dafür würden sich laut Schätzungen des Bundesamts für Strassen auf rund 300 Millionen Franken belaufen. Alleine für den Ausbau, ohne Unterhalt.

In 52 Lawinenhängen lauern grosse Risiken

Auch Ralf Arnold, der die Winterräumungen bei den Urner Pässen plant, sieht die Idee kritisch. Am Gotthardpass gebe es 52 Lawinenhänge. «Es bräuchte enorme Verbauungen, damit die Sicherheit für die Schneeräumungsarbeiten gewährleistet werden könnte.»

Innerhalb von zwei Stunden haben wir meterhohe Schneewechten.
Autor: Ralf Arnold Fachbereichsleiter Winterdienst

Im tiefsten Winter für eine freie Strasse zu sorgen, wäre mit grossen Risiken verbunden. Für die Arbeiter, aber auch für den Verkehr. «Warum stehen Windräder auf dem Gotthardpass? Weil es ständig windet. Innerhalb von zwei Stunden haben wir meterhohe Schneewechten», sagt Arnold. Damit die Strasse ganzjährig befahrbar wäre, bräuchte es im Winter Tag und Nacht einen Zwei-Mann-Betrieb.

Zurück zur Räumungsequipe. Voraussichtlich Mitte Mai soll der Verkehr wieder über den Gotthard rollen können. Ein Termin, der für Werner Gnos zweitrangig ist. «Mein Ziel ist es, dass der Pass öffnet, ohne dass ein Unfall passiert ist. Ein Tag früher oder später spielt für mich keine Rolle.»

Regionaljournal Zentralschweiz, 6.5.2025, 12:03 Uhr ; 

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