Derzeit wird die Gotthard-Passstrasse für den Sommerbetrieb geräumt. Schwerstarbeit, wie ein Augenschein vor Ort zeigt. Ein gut 20-köpfiges Team ist am Werk.
Geleitet wird es seit 14 Jahren von Werner Gnos. Auf dem Kopf eine Wollkappe, im bärtigen Gesicht ein entspanntes Grinsen. Der Urner kennt hier jede Kurve. «Was an unserem Job spannend ist: Man kommt am Morgen an den Arbeitsplatz und weiss nie, was einen erwartet.»
Rund sechs Wochen dauern die Arbeiten. Die Schneeräumung ist nur ein Teil davon. Gnos' Team flickt Löcher im Belag, stellt das Entwässerungssystem instand, nimmt die Tunnels wieder in Betrieb und entfernt lose Steine von den Felswänden.
Auch Leitplanken müssen wieder aufgebaut werden. Würden diese über den Winter stehen gelassen, könnte es böse Überraschungen geben. «Wenn eine Lawine runterdonnert, könnte es die Leitplanken kilometerweit wegreissen.»
Wind und Wetter geben den Takt vor
Schauplatzwechsel. Kurz vor der Passhöhe auf 2100 Metern über Meer frisst sich eine Schneefräse die Strasse entlang. Vor ihr ein Bagger, der dicke Schneemauern einreisst.
-
Bild 1 von 5. Dieses Jahr haben die Räumungsarbeiten auf der Gotthard-Passstrasse am 7. April begonnen. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
-
Bild 2 von 5. Insgesamt sind sieben Fräsmaschinen im Einsatz. Drei von Süden, vier von Norden her. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
-
Bild 3 von 5. Auf einer Länge von über zehn Kilometern bauen die Arbeiter rund 2500 Leitplanken wieder auf …. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
-
Bild 4 von 5. … und installieren weit über hundert Verkehrsschilder. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
-
Bild 5 von 5. Auch lose Steine müssen von den Felswänden entfernt werden. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
Wind und Wetter geben bei den Räumungsarbeiten den Takt vor. Immer wieder müssen die Arbeiten aus Sicherheitsgründen unterbrochen werden. Bei Wetterumstürzen manchmal für mehrere Tage. Werner Gnos sagt: «Wenn du hier oben arbeitest, musst du gern in der Natur sein – und gern frieren.»
Idee des ganzjährigen Betriebs ist umstritten
In Bundesbern ist ein Vorstoss hängig, der die ganzjährige Öffnung der Gotthard-Passstrasse fordert. Eingereicht hat ihn der Aargauer SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner.
Parteikollege Christian Imark, Nationalrat aus Solothurn, hat die Motion mitunterzeichnet. Seine Rechnung: Weniger Staustunden gleich mehr Kapazität auf dem Nord-Süd-Nadelöhr. «Mit dem ganzjährigen Betrieb würden wir eine zusätzliche Fahrspur Richtung Süden und Norden erhalten.»
Im Kanton Uri kommt diese Idee bei vielen nicht gut an. «Selbst wenn man alle Lawinenschutzmassnahmen vornehmen würde, bliebe die Situation am Gotthard gefährlich», sagt Ständerätin Heidi Z'graggen (Mitte/UR). Der Winter sei unberechenbar. «Den Pass das ganze Jahr über offen zu lassen, ist in Bezug auf die Sicherheit mehr als fragwürdig.»
Zudem seien die Kosten immens: Die Investitionen dafür würden sich laut Schätzungen des Bundesamts für Strassen auf rund 300 Millionen Franken belaufen. Alleine für den Ausbau, ohne Unterhalt.
In 52 Lawinenhängen lauern grosse Risiken
Auch Ralf Arnold, der die Winterräumungen bei den Urner Pässen plant, sieht die Idee kritisch. Am Gotthardpass gebe es 52 Lawinenhänge. «Es bräuchte enorme Verbauungen, damit die Sicherheit für die Schneeräumungsarbeiten gewährleistet werden könnte.»
Innerhalb von zwei Stunden haben wir meterhohe Schneewechten.
Im tiefsten Winter für eine freie Strasse zu sorgen, wäre mit grossen Risiken verbunden. Für die Arbeiter, aber auch für den Verkehr. «Warum stehen Windräder auf dem Gotthardpass? Weil es ständig windet. Innerhalb von zwei Stunden haben wir meterhohe Schneewechten», sagt Arnold. Damit die Strasse ganzjährig befahrbar wäre, bräuchte es im Winter Tag und Nacht einen Zwei-Mann-Betrieb.
Zurück zur Räumungsequipe. Voraussichtlich Mitte Mai soll der Verkehr wieder über den Gotthard rollen können. Ein Termin, der für Werner Gnos zweitrangig ist. «Mein Ziel ist es, dass der Pass öffnet, ohne dass ein Unfall passiert ist. Ein Tag früher oder später spielt für mich keine Rolle.»