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Schneider-Ammann tritt ab Der unterschätzte Magistrat

Der andere Johann Schneider-Ammann: Was er besser konnte, als viele andere.

Johann Schneider-Ammann hat am Donnerstag den Schlüssel seines Departements an Nachfolger Guy Parmelin übergeben. Für Schneider-Ammanns Kritiker ein längst fälliger Rückzug – denn gerade bei öffentlichen Auftritten agierte er oft unbeholfen – was ihn zur beliebten Figur für Komiker machte.

Es wird in diese Kerbe gehauen, die populistisch genutzt werden kann. Dass daneben sehr viel gearbeitet wurde, hat weniger interessiert und das ist störend.
Autor: Johann Schneider-Ammann Bundesrat

Als Bundesrat war er sich für nichts zu schade. Trotzdem rangierte er in Umfragen immer wieder als unbeliebtester Bundesrat. Dass seine unfreiwillig komischen Auftritte das Bild seiner Arbeit in der Öffentlichkeit prägten, ging nicht ohne Spuren an ihm vorbei, sagt er gegenüber «10vor10». «Ja, das störte. Es wird in diese Kerbe gehauen, die populistisch genutzt werden kann. Dass daneben sehr viel gearbeitet wurde, hat weniger interessiert und das ist störend.»

Denn eigentlich hat Schneider-Ammann als Wirtschaftsminister die wichtigste Aufgabe mit Bravour erledigt: Er sorgte dafür, dass die Wirtschaft «brummte». Das war ihm besonders wichtig: «Jobs, Jobs, Jobs, Vollbeschäftigung. Auf das muss man sich fokussieren. Alles andere was da kommunikativ daneben läuft, das ist völlig nebensächlich.»

Lob der politischen Gegenspieler

Selbst seine Gegenspieler – etwa der linke Gewerkschafter und Berner SP-Nationalrat Corrado Pardini – attestieren dem Wirtschaftsminister, «seinen Mann» grösstenteils souverän gestanden zu haben. «Es war ausserordentlich, dass man am Vorabend anrufen konnte, wenn man ein dringendes Problem hatte. (...) Wenn du morgen früh bei mir um 7 Uhr im Büro sein kannst, nehmen wir zusammen einen Kaffee und diskutieren es. Das ist super, weil man merkte, man wird ernst genommen, er nimmt Probleme ernst. Und er hielt Wort und half immer Lösungen suchen.»

Türöffner für Schweizer Exportwirtschaft

Überall auf der Welt öffnete Schneider-Ammann die Tore für Schweizer Exporte. Mit elf Ländern schloss er Freihandelsabkommen ab. Das letzte unterzeichnete er noch am Wochenende in Jakarta mit Indonesien.

Ich habe schon die Überzeugung, dass eine liberale Wirtschaftsordnung eine erfolgreichere Wirtschaftspolitik ist. Das war meine Wirtschaftspolitik. Ich denke, wir haben das Richtige gemacht, sowohl innen wie aussen.
Autor: Johann Schneider-Ammann Bundesrat

Das wichtigste Freihandelsabkommen aber gelang ihm 2013 mit China – die guten Beziehungen zum Reich der Mitte sind zu einem grossen Teil auch dem Verhandlungsgeschick des Wirtschaftsministers geschuldet. «Ich habe schon die Überzeugung, dass eine liberale Wirtschaftsordnung eine erfolgreichere Wirtschaftspolitik ist. Das war meine Wirtschaftspolitik. Ich denke wir haben das richtige gemacht, sowohl innen wie aussen.»

Johann Schneider-Ammann und der chinesische Handelsminister unterzeichnen Dokumente.
Legende: Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und China im Juli 2013 in Peking. Keystone

Kritiker sagen, innenpolitisch habe Schneider-Ammann zu oft die Hände in den Schoss gelegt. Nicht so Pirmin Bischof, Ständerat (CVP/SO): «Auf den ersten Blick nicht gepunktet hat er bei der Konjunkturpolitik. Immer wenn eine Krise aufkommt, fordern alle Arten von Politikern riesige Konjunkturpakete zu schnüren. Schneider-Ammann hat das regelmässig nicht gemacht und zwar völlig zurecht, weil die Konjunkturprogramme überhaupt nichts bringen. Er hat den Mut und die Frechheit zu sagen: Ich mache einfach gar nichts. Der beste Wirtschaftsminister ist eigentlich der, der nichts macht.»

Ich bin müde, weil ich 16 Stunden pro Tag unterwegs bin und das schon seit Jahren.
Autor: Johann Schneider-Ammann Bundesrat

Müde, aber gesund

Das Amt als Bundesrat hinterliess Spuren beim heute 66-Jährigen. Beobachter sorgen sich um seinen Gesundheitszustand. Auf die Frage, ob es einen gesundheitlichen Vorfall in seiner Amtszeit gegeben habe, weil er im Vergleich zu den Bildern bei seiner Vereidigung «langsamer» wirke, sagt Schneider-Ammann klar: «Nein gab es nicht. Aber ich habe gearbeitet und das macht müde. Zu dem stehe ich. Mir tut alles weh von hier bis da unten. Ich bin müde weil ich 16 Stunden pro Tag unterwegs bin und das schon seit Jahren.»

Mit Johann Schneider-Amman verlässt ein Schwerarbeiter seinen Platz in der Landesregierung und legt die Latte für seinen Nachfolger hoch.

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