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24-Stunden-Verfahren: Weniger Asylsuchende aus Maghreb-Staaten
Aus Tagesschau vom 30.03.2024.
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Schnellere Asylverfahren Schärfere Massnahmen schrecken Asylsuchende offenbar ab

Ein Pilotprojekt in Zürich zeigt Wirkung: Wohl auch wegen des 24-Stunden-Verfahrens beantragen deutlich weniger Asylsuchende aus Maghreb-Staaten in der Schweiz Asyl. Das zeigen neue Zahlen des Bundes.

Wer keine Chance auf Asyl hat, soll kein Asylgesuch in der Schweiz stellen: Sieben Wochen war Justizminister Beat Jans im Amt, als er beim Besuch des Bundesasylzentrums in Chiasso bekannt gab, die Asylschraube anziehen zu wollen. Jans kündigte die Ausweitung des 24-Stunden-Verfahrens an. Dieses sieht vor, dass Asylsuchende aus Staaten wie Algerien, Marokko oder Tunesien innert 24 Stunden einen Asylentscheid erhalten.

So schnell sind Nachbarländer mit Asylentscheiden

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Legende: Die Schweiz will mit schnelleren Asylverfahren für Menschen aus Maghreb-Staaten weniger attraktiv als Zufluchtsland werden. (Symbolbild) Keystone/Ti-Press/Samuel Golay
  • In Deutschland sollen die sogenannten beschleunigten Asylverfahren innerhalb einer Woche abgeschlossen werden. Tatsächlich dauerten die Verfahren 2021 im Schnitt 3.3 Monate.
  • Österreich unterscheidet zwischen Eil- und Schnellverfahren. Letztere müssen innerhalb von fünf Monaten entschieden werden, Eilverfahren innerhalb von 72 Stunden. Im ersten Halbjahr 2023 wurden 4360 Verfahren abgeschlossen, davon 134 im Eilverfahren.
  • In Frankreich dauern die Verfahren länger. Im Durchschnitt warten Asylsuchende 14 Monate auf einen Entscheid. Allerdings gibt es auch in Frankreich Bestrebungen, die Verfahren zu beschleunigen und die Bearbeitungszeit auf sechs Monate zu reduzieren.

Getestet wird dieses Verfahren seit November im Bundesasylzentrum Zürich – mit deutlichen Ergebnissen. Vor Einführung des Schnellverfahrens meldeten sich jedes Wochenende rund 40 Personen aus nordwestafrikanischen Staaten in dem Bundesasylzentrum.

In den letzten Wochen kamen sehr viel weniger Personen aus Maghreb-Staaten, die in Zürich ein Asylgesuch stellen wollen.
Autor: Daniel Bach Mediensprecher Staatssekretariat für Migration

Seit vergangenem Herbst habe sich die Situation völlig verändert, sagt Daniel Bach, Mediensprecher des Staatssekretariates für Migration (SEM). «In den letzten Wochen kamen viel weniger Personen aus Maghreb-Staaten, die in Zürich ein Asylgesuch einreichen wollten. Vorletztes Wochenende meldeten sich vier Personen, letztes Wochenende nur noch eine.»

Entsprechend ging die Zahl der Asylsuchenden aus Maghreb-Staaten in der Asylregion Zürich seit der Einführung des 24-Stunden-Verfahrens um 70.7 Prozent zurück. Auch in den anderen Asylregionen sanken die Zahl der Asylsuchenden aus nordwestafrikanischen Ländern seit November um 40.8 Prozent – obwohl dort das neue Verfahren noch nicht angewendet wird.

Der Bund führt die sinkenden Zahlen auf die abschreckende Wirkung des Schnellverfahrens zurück, denn: Normalerweise reichen im Winter mehr Menschen ein Asylgesuch ein. So nahm die Zahl der Asylsuchenden in den Bundesasylzentren von November 2022 bis Februar 2023 um 40 Prozent zu.

Für Bach ist klar: Der derzeitige markante Rückgang der Asylsuchenden habe viel mit dem 24-Stunden-Verfahren zu tun. «Es spricht sich herum, dass Verfahren für Personen aus Maghreb-Staaten nun schneller abgewickelt werden. Dadurch wird es weniger attraktiv, hierherzukommen.»

Flüchtlingshilfe zweifelt an abschreckender Wirkung

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe sieht das Schnellverfahren kritisch. Je schneller das Verfahren, desto grösser sei die Gefahr von Fehlentscheiden, betont Direktorin Miriam Behrens. Zudem bezweifelt sie, dass sich bereits eine derart grosse abschreckende Wirkung zeigt: «Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Asylgesuche auch aufgrund saisonaler Schwankungen abgenommen hat. Das sehen wir auch bei Personen aus anderen Herkunftsländern.»

Erst im Verlauf der Sommermonate werde sich zeigen, ob das 24-Stunden-Verfahren wirklich die vom Bund erhoffte Wirkung hat. Behrens weist auf die Problematik des neuen Mechanismus hin. «Das Asylverfahren soll diejenigen Personen schützen, die schutzberechtigt sind. Da bringt es nichts, wenn weniger Asylsuchende kommen – es müssen diejenigen kommen, die schutzberechtigt sind.»

Rückenwind für Jans' Asylpläne

Bis Ende April soll das 24-Stunden-Verfahren für Menschen, die kaum Aussicht auf Asyl haben, auf alle Bundesasylzentren mit Verfahrensfunktion ausgeweitet werden. Neben Zürich betrifft dies Bern, Boudry NE, Altstätten SG, Chiasso und Basel.

Schweizer Bundesasylzentren mit Verfahrensfunktion und ohne

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Legende: SRF/Datawrapper/Stand: Februar 2024

In der Schweiz gibt es sechs Asylregionen. In jeder Region gibt es ein Bundesasylzentrum mit Verfahrensfunktion (dunkelrot) sowie mehrere weitere Bundesasylzentren. Bei jenen Zentren mit Verfahrensfunktion werden die Asylgesuche eingereicht, geprüft und das Sekretariat für Migration (SEM) entscheidet möglichst in einem beschleunigten Verfahren, also in höchstens 140 Tagen.

Die Asylzentren ohne Verfahrensfunktion (rot) sind für Personen, welche die Schweiz in der Regel nach kurzer Zeit wieder verlassen müssen, etwa wegen eines abgelehnten Asylgesuchs. Hinzu kommen zwei Stellen an den Flughäfen Genf und Zürich (rosa) sowie ein «Besonderes Zentrum» für Asylsuchende, welche die öffentliche Sicherheit erheblich gefährden (schwarz).

Die gesunkene Zahl der Asylsuchenden dürfte Bundesrat Beat Jans in diesen Plänen bestärken. Denn das Timing für die Erfolgsmeldung stimmt: Am Dienstag zieht der Justizminister vor den Medien Bilanz über seine ersten 100 Tage im Amt.

Tagesschau, 30.03.2024, 13:00 Uhr

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