Angepriesen wurde der FV-Dosto bei der Bestellung 2010 mit grossen Worten: Er biete mehr Platz, verbinde Städte dank spezieller Technik für das Kurvenfahren schneller, und zeichne sich aus durch «hohes Innovationspotenzial» und einen «hohen Komfort für die Reisenden».
Doch keine Ausland-Fahrten
Dank entsprechender Vorbereitungen solle der Zug nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland verkehren, hiess es damals, zum Beispiel nach München. Jetzt bestätigt die SBB erstmals offen: Auch diese Pläne lassen sich mit dem Zug nicht wie vorgesehen realisieren. «Das ist kein Thema mehr», so SBB-Sprecherin Sabrina Schellenberg zu SRF.
Lediglich auf sehr grenznahen Strecken, nach Konstanz oder nach Singen, behält sich die SBB die Option offen, den Doppelstöcker einzusetzen. Dort ist der Aufwand für die nötige Umrüstung kleiner. Es ist ein Kapitel mehr in einer unglücklichen Beschaffungsgeschichte.
Inzwischen haben wir gesehen, dass es andere Züge gibt, die geeigneter sind für den Einsatz auf längeren Strecken im Ausland.
Im Beschaffungsprozess habe sich die SBB alle Optionen offenhalten wollen, so Schellenberg. «Inzwischen haben wir gesehen, dass es andere Züge gibt, die geeigneter sind für den Einsatz auf längeren Strecken im Ausland.» Nach München kommen etwa die einstöckigen Neigezüge vom Typ Astoro zum Einsatz.
Kein Zusammenhang mit dem Umbau der Drehgestelle
Dazu kommt: Der Doppelstock-Zug ist noch immer zu unruhig unterwegs. Die SBB hat vor knapp zwei Wochen bekannt gegeben, sie baue alle Züge um. Damit entfällt die Technologie für das schnelle Kurvenfahren definitiv, auf deren Einsatz die SBB aus Komfort-Gründen bereits verzichtet hatte.
Mit dem Umbau der Drehgestelle allerdings habe der Verzicht auf die Langstrecken im Ausland nichts zu tun. Die SBB begründet ihn vielmehr mit den «Entwicklungen, die sich ergeben haben im Verlauf der Jahre». Die nötigen Umbauten für eine Fahrt ins Ausland, etwa am Stromabnehmer, plane die SBB daher nicht mehr.
Steile Einstiegsrampen für Auslandseinsatz
«Es lohnt sich eher, den Zug im Inland einzusetzen, wo er seine Stärken voll ausspielen kann», so SBB-Sprecherin Schellenberg. Immerhin gilt der Zug inzwischen als einer der zuverlässigsten in der SBB-Flotte. Vor allem auf den Hauptverbindungsachsen zwischen Genf und St. Gallen sowie durch den Gotthard bietet der Zug eine hohe Zahl an Sitzplätzen.
Die jetzt ungenutzten Vorbereitungen für den Ausland-Einsatz haben laut SBB zwei bis drei Millionen Franken zusätzlich gekostet – bei einer Beschaffung über 1.9 Milliarden Franken überschaubar. Pikant ist allerdings, dass für den Einsatz im Ausland die Türen und Einstiegsrampen angepasst werden mussten. Diese waren so steil, dass sie von Personen im Rollstuhl kaum im Alleingang bewältigt werden könnten, kritisierten Behindertenverbände – und erhielten vor Bundesgericht recht. Inzwischen wurden die Einstiegsrampen angepasst.
Nach München mit Neigetechnik
Ins Ausland fährt die SBB derweil mit den einstöckigen Astoro- und Giruno-Zügen. Von beiden Typen hat die SBB nach Inbetriebnahme zusätzliche Züge nachbestellt. Auch zum neuen FV-Dosto hatte sie sich vertraglich eine Option auf bis zu 100 weitere Züge ausgehandelt. Auf diese Nachbestellung allerdings hat die SBB verzichtet.
Aus einem Innovationsprojekt für den internationalen Einsatz ist inzwischen ein ziemlich gewöhnlicher Intercity-Zug für die Schweiz geworden. Immerhin sei er inzwischen zuverlässig und – verspricht die SBB – bald auch deutlich ruhiger unterwegs.