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Schulklasse fliegt nach Indien Luzerner Gymi-Lernende legen für Austausch 7500 Kilometer zurück

20 Jugendliche leben seit Neujahr bei Gastfamilien. In Indien spüren sie den Leistungsdruck ihrer Klassenkameraden.

7500 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Luzern und Kerala. Gross ist auch die kulturelle Distanz: «Ich musste mich daran gewöhnen, nur mit der rechten Hand zu essen», sagt Celia Kaufmann. Und Lana Kronenberg stellt fest: «Ausgang am Abend ist in Indien tabu.»

Die beiden jungen Frauen der Stadtluzerner Kantonsschule Alpenquai weilen derzeit mit 18 Kameradinnen und Kameraden in Südindien. Das Ziel: Das Land kennenlernen. Einblick ins politische System erhalten. Den eigenen Horizont erweitern. Dafür sei das Leben in der Gastfamilie sehr wertvoll, sagt Lana Kronenberg. «Man spricht mit ihr, man isst mit ihr, man lacht mit ihr.»

Gruppenfoto der Luzerner und indischen Lernenden in Indien.
Legende: Derzeit sind 20 Jugendliche aus der Stadt Luzern in einer Privatschule in Indien zu Gast. zvg/Kantonsschule Alpenquai

Es ist das dritte Mal, dass Luzerner Jugendliche fern der Heimat die Schulbank drücken. Religions- und Ethiklehrer Tommi Mendel begleitet diese Austauschprojekte jeweils. «Von dem, was man als Lehrer im Klassenzimmer macht, bleibt ein sehr kleiner Teil hängen», sagt er. «Von einem solchen Austausch zehren die Teilnehmenden ein Leben lang.»

Im Alltag prallen Welten aufeinander

Noch bis am 11. Januar erörtern die Lernenden in interkulturellen Gruppen Facetten von sozialer Ungleichheit in der Schweiz und in Indien. Die Luzerner Jugendlichen spüren aber auch im Alltag, wie Welten aufeinander prallen. Sie leben in Gastfamilien, die teils Köchinnen und Privatchauffeure haben. Sehen aber auch Quartiere, die weit weniger privilegiert sind.

Aufschlussreich sind Gespräche mit Klassenkameradinnen und -kameraden. «Bei der Berufswahl haben Frauen in der Schweiz eher mehr Mühe, Karriere zu machen als in Indien. Das hätte ich so nicht erwartet», sagt Celia Kaufmann. Spürbar seien auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern. «Die meisten Buben hier haben ein Handy. Die Mädchen nicht, und das finden sie ziemlich unfair.»

Siebtgrösstes Land der Erde

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Indien ist das siebtgrösste Land der Erde. Mit über 1.4 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern ist Indien der bevölkerungsreichste Staat nach China. Die Hauptstadt heisst Neu-Delhi. Seit 2014 regiert in der parlamentarisch-demokratischen Bundesrepublik eine hindu-nationalistische Partei. Quelle: Munzinger

Auch beim Bildungssystem gibt es Aha-Momente. «Meiner Gastschwester ist es enorm wichtig, gut ausgebildet zu sein und auf eine gute Uni gehen zu können», sagt Lana Kronenberg. Diesen Leistungsdruck kenne sie von der Schweiz nicht. Weil es hier mit der Lehre immer noch eine Alternative zum Studium gebe.

Eine Luzernerin erhält von einer Inderin einen Schal um den Hals gelegt.
Legende: Noch bis am 11. Januar tauchen die Luzerner Lernenden in die indische Kultur ein. zvg/Kantonsschule Alpenquai

Was die Jugendlichen ebenfalls merken: Ob Beruf, Familie oder Klimawandel – hüben wie drüben beschäftigen ihre Generation ähnliche Themen.

Organisator verteidigt den Zwölf-Stunden-Flug

Für den Austausch sind nicht nur die Schweizer Jugendlichen in den Flieger gestiegen: Ihre indischen Kolleginnen und Kollegen waren bereits im Oktober zu Besuch in Luzern. Dazwischen haben sie sich via Skype in einem virtuellen Klassenzimmer getroffen.

Eine Familie und ein indischer Austauschschüler essen Fondue und Toblerone.
Legende: Im Oktober haben die Luzerner Kantischüler Besuch aus Indien erhalten: Nived (rechts) hat während rund einer Woche bei der Familie von Simon Conzett gelebt. zvg/Kantonsschule Alpenquai

Fragt sich, ob ein solches Projekt in Zeiten der Klimaerwärmung nicht komplett im digitalen Raum stattfinden sollte. Oder ob es zumindest eine Reise innerhalb Europa täte.

Nachhaltigkeit und Klimawandel sind wichtige Themen. Und diese reflektieren wir mit unseren Schülerinnen und Schülern.
Autor: Tommi Mendel Religions- und Ethiklehrer

Der Luzerner Gymilehrer Tommi Mendel verteidigt die fernöstliche Destination. «Innerhalb der westlichen Industriestaaten ist die Denkweise sehr ähnlich.» Indien dagegen habe eine enorme religiöse, kulturelle und sprachliche Vielfalt.

«Nachhaltigkeit und Klimawandel sind wichtige Themen. Und diese reflektieren wir», so Mendel. Aber man mache es sich sehr einfach, wenn man den Finger bloss auf Langstreckenflüge lege.

Auch die Bereiche Ernährung, Konsum, Wohnen und Mobilität müsse man anschauen. «Und es ist für jeden selbstverständlich, ein Smartphone und einen Laptop zu haben.» Auch dies verursache CO₂. «Wenn man den ganzen Kontext kritisch beleuchtet, dann kann man einen solchen Austausch einmal verantworten.»

Stiftung finanziert Austauschprojekt mit

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Der Austausch der Stadtluzerner Kantischülerinnen und -schüler sowie ihrer indischen Klassenkameradinnen und -kameraden wird von Movetia finanziell unterstützt. Movetia ist die von Bund und Kantonen getragene nationale Agentur für Austausch und Mobilität in der Schweiz für alle Bildungsbereiche.

Für das Luzerner Projekt entrichtet Movetia eine Reisepauschale von 800 Franken pro Person. Für den Aufenthalt vor Ort gibt es pro Jugendlichen und Tag 30 Franken in Indien und 50 Franken in der Schweiz. Zusätzlich finanziert Movetia den Aufenthalt der begleitenden Lehrpersonen und zahlt der Kantonsschule eine Organisationspauschale von 1250 Franken. Aus der eigenen Tasche müssen die Luzerner Lernenden rund 650 Franken bezahlen.

Schulen müssen Auflagen erfüllen

Um von der Agentur finanzielle Unterstützung zu erhalten, gilt es, einige Auflagen zu erfüllen. «Rein touristische Reisen finanzieren wir nicht mit», sagt Susan Gürber, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Movetia. «Wir fordern, dass sich die Schülerinnen und Schüler einem schulisch und gesellschaftlich relevanten Thema widmen und auch während des Schuljahres gemeinsam daran arbeiten.»

Pro Jahr fliessen maximal 20 Prozent der Fördergelder für internationale Mobilitätsprojekte in aussereuropäische Austauschprojekte. «Mit der Förderung von Projekten innerhalb Europas wollen wir auch der ökologischen Dimension Rechnung tragen», sagt Susan Gürber. «Wenn die inhaltliche Qualität eines Projektes überzeugt, wollen wir geografisch jedoch keine Grenzen ziehen.»

Regionaljournal Zentralschweiz, 4.1.2024, 17:30 Uhr ; 

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