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Schutz gegen Covid-19 Wer entscheidet über die Corona-Impfung: Eltern oder Kind?

Seit heute ist die Corona-Impfung in der Schweiz für über 12-Jährige zugelassen. Doch was, wenn sich Eltern und Kind über die Impfung uneinig sind?

Ab heute können sich in der Schweiz auch Kinder und Jugendliche gegen Corona impfen lassen. Die schweizerische Zulassungsbehörde für Arzneimittel Swissmedic hat den Pfizer/Biontech-Impfstoff für Kinder ab 12 Jahren zugelassen. Doch was geschieht, wenn Eltern ihre Kinder impfen lassen wollen, die Kinder das aber ablehnen?

Auch Kinder und Jugendliche erhalten zwei Dosen

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Swissmedic hat die Ausweitung des Pfizer/Biontech-Impfstoffs auf 12- bis 16-Jährige beschleunigt im rollenden Verfahren geprüft, wie das Institut mitteilt. Das Pharmaunternehmen hatte das Gesuch am 7. Mai eingereicht. Auch bei den Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren muss der Impfstoff zweimal verabreicht werden. In der klinischen Studie zeigte sich in dieser Altersgruppe, dass die Wirksamkeit gegen 100 Prozent erreicht.

Die Studienteilnehmer erhielten die gleiche Dosis wie Erwachsene. Ihre Immunreaktion war mit älteren Probanden im Alter zwischen 16 und 25 Jahren vergleichbar. Auch die Nebenwirkungen entsprachen jenen bei den älteren Probanden und Erwachsenen.

Genügend Impfdosen bestellt

Am häufigsten traten Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Fieber oder Gelenkschmerzen auf. Die Nebenwirkungen dauerten gemäss Swissmedic in der Regel bis zu drei Tage und konnten nach der zweiten Dosis ausgeprägter ausfallen.

Mit einer Impfstoffknappheit ist aufgrund der Ausweitung nicht zu rechnen. «Die Schweiz wird genügend Impfstoff haben, um auch Kinder und Jugendliche noch dieses Jahr impfen zu können», erklärte Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle beim BAG, Mitte Mai. Die Schweiz hat insgesamt 6 Millionen Dosen Pfizer/Biontech-Impfstoff bestellt. Vom Moderna-Impfstoff, welcher für Personen ab 18 Jahren zugelassen ist, sind es für das Jahr 2021 13.5 Millionen Dosen.

Das Produkt von Pfizer/Biontech ist in den USA seit Mitte Mai für Impfungen ab 12 Jahren zugelassen – in der EU seit anfangs Woche.

Entscheidend ist im Konfliktfall gemäss Bundesamt für Gesundheit hier die Urteilsfähigkeit der Jugendlichen. Wenn es Uneinigkeiten gibt, sei aber meistens das Gegenteil der Fall, sagt der Präsident des Verbands der Haus- und Kinderärzte Schweiz, Philippe Luchsinger: Der oder die Jugendliche will sich impfen lassen, die Eltern lehnen es ab.

Doch ab wann gilt ein Jugendlicher als urteilsfähig? «Da gibt es keine fixe Altersrichtlinie. Ab wann eine Jugendliche oder ein Jugendlicher urteilsfähig ist, entscheidet der behandelnde Arzt», sagt Luchsinger.

Jugendliche wünschen Impfung

Der Kinderarzt Harald Schütze bestätigt in einer Praxis im Zürcher Seefeld Luchsingers Einschätzung: «Bei Hepatitis-B-Impfungen und insbesondere bei der Gebärmutterhalskrebs-Impfung ist es sehr oft so, dass Jugendliche sich impfen lassen wollen, aber die Eltern eher zurückhaltend sind. Meistens entscheide ich dann im Sinne der Jugendlichen.»

Vortritt für Ältere

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Einschätzungen von SRF-Wissenschaftsredaktor Thomas Häusler: Vermutlich wird die Impfkommission den Älteren beim Impfen den Vortritt lassen wollen. Denn bei jüngeren Menschen gibt es deutlich weniger schwere Verläufe. In Zahlen: In der Schweiz müssen etwa 0.1 Prozent der 10-19-Jährigen wegen Covid-19 ins Spital, im Vergleich zum Beispiel zu 2.4 Prozent bei den 40-49-Jährigen. Ähnlich sieht es ein Fachgremium der EU. Kritik üben Experten auch, weil die Zulassungsstudie mit 2000 Jugendlichen relativ klein sei. Es könnten seltene Nebenwirkungen übersehen worden sein. Darum sei vorderhand Zurückhaltung geboten, da – wie gesagt – der Nutzen der Impfung für Jugendliche geringer sei. In Ländern, die bereits Jugendliche impfen, werden zudem Fälle von Herzmuskelentzündung nach der Impfung untersucht. Es handelt sich aber um leichte Fälle.

Auch viele seiner Patientinnen und Patienten wollen sich so schnell wie möglich gegen Covid-19 impfen lassen. Zum Beispiel der 14-jährige Jacob: «Es würde alles viel einfacher machen und ich würde mich viel wohler fühlen – vor allem, wenn ich mein Grosi besuchen gehe.»

Jacobs Schwester Martha ist 17 und hat ihren Impftermin bereits. Die Frage, wer über die Impfung entscheidet, stellt sich für die beiden nicht – die Eltern sind derselben Meinung wie die Kinder. «Wenn sie dagegen wären, würde ich versuchen, meinen Willen durchzusetzen und mir Unterstützung bei Lehrpersonen oder Verwandten suchen», sagt Martha.

Wichtig sei es, den Kindern und Jugendlichen genügend Informationen zu geben, damit sie auch eine gute Grundlage für die Entscheidung hätten. In der Schule habe ihre Klasse zum Beispiel durchgenommen, was eine Impfung überhaupt ist und warum die Entwicklung jetzt so schnell ging. «Das hat mir sehr geholfen, eine Entscheidung für mich selber zu treffen», so Martha.

Warum Kinder impfen?

In vielen Ländern läuft das Impfprogramm für Kinder bereits, beispielsweise in Kanada. In der EU wurde die Impfung letzte Woche zugelassen. Doch ist es überhaupt nötig, Kinder und Jugendliche zu impfen? Die meisten Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen verlaufen milde. Und der Verdacht, sie seien eigentliche «Viren-Schleudern» ist widerlegt.

Der Leiter Krisenbewältigung beim BAG setzt sich trotzdem dafür ein. «Wenn wir das Virus kontrollieren wollen, dann braucht es einen möglichst grossen Anteil von Immunen, sei dies durch eine Impfung oder durch eine durchgemachte Erkrankung», sagt Patrick Mathys.

Die Sicherheitsbedenken gegenüber des Pfizer/Biontech-Impfstoffs könne zudem die Zulassungsstudie entkräften, sagt SRF-Wissenschaftsredaktor Daniel Theis: «Über 2000 Jugendliche haben bei der sogenannten Phase 3-Studie, mitgemacht. Die Nebenwirkungen waren ähnlich wie bei den Erwachsenen: Mehr als die Hälfte der Jugendlichen hatten entweder Schmerzen am Arm, Kopfschmerzen oder sie litten unter Müdigkeit. Es hat aber keine schweren Nebenwirkungen gegeben.»

10 vor 10, 28.05.2021, 21:50 Uhr

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