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Flüchtlinge aus Eritrea kommen an einem sizilianischen Hafen an.
Legende: Vor allem Flüchtlinge aus Eritrea machen Verfolgung infolge Dienstverweigerung als Asylgrund geltend. Reuters

Schweiz Asyl für Deserteure: Gerichtsentscheid «bestätigt Praxis»

2012 wollte das Parlament weniger Flüchtlinge aus Eritrea und entschied deshalb, dass Militärverweigerung allein kein mehr Asylgrund ist. Das Volk hat dies in einer Abstimmung gestützt. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht das neue Gesetz erstmals angewandt. Es schliesst: Alles bleibt wie gehabt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erstmals das verschärfte Asylgesetz angewendet. Es besagt: Wegen Militärdienstverweigerung kann in der Schweiz niemand als Flüchtling anerkannt werden. Lea Wertheimer, Sprecherin des Staatssekretariats für Migration SEM hat das Urteil studiert und kommt zum Schluss: «Eine drohende Verfolgung aufgrund der Wehrdienstverweigerung ist nur dann relevant, wenn andere Verfolungsmotive hinzu kommen.» So steht es im neuen Asylgesetz.

Blosse Symbolpolitik?

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Allerdings steht da auch, dass die Flüchtlingskonvention gilt. Und das bedeutet laut Wertheimer: «Wenn jemand aufgrund der Desertion als Staatsfeind oder Oppositioneller verfolgt wird, erhält er Asyl in der Schweiz.» Folglich werden Militärdienstverweigerer, die als Regimegegner verfolgt und bedroht sind, als Flüchtlinge anerkannt.

So zieht die Sprecherin des SEM das Fazit: «Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt grundsätzlich die geltende Praxis.» Das wiederum bedeutet: durch das neue Asylgesetz ändert sich für Militärverweigerer gar nichts. Obwohl Militärverweigerung neu ausdrücklich kein Fluchtgrund mehr ist.

Blocher: «Die Richter missachten Gesetze»

Das Parlament habe mit dem neuen Gesetz einfach ein Zeichen setzen wollen, meint das Gericht. «Das ist eine unglaubliche Bemerkung», sagt Christoph Blocher. Und der SVP-Chefstratege legt nach: Die Verwaltungsrichter missachteten Gesetze.

«Die gesetzliche Formulierung ist so, dass man selbstverständlich den Willen des Gesetzgebers hätte achten können.» Wenn man hier von von einer «symbolischen Geste für das Volk» spreche, stelle man das Motiv des Gesetzgebers in Frage – «und das geht nicht», schliesst Blocher.

Plötzliche Eintracht bei CVP und SP

Der Zuger CVP-Nationalrat Gerhard Pfister war im Parlament ein Verbündeter von Blocher. Heute sagt er: «Aus meiner Sicht war es die Absicht des Gesetzgebers, Desertion als alleinigen Grund für den Status als Flüchtling abzuerkennen.» Wenn nun aber ein Flüchtling aus einem Kriegsgebiet aufgenommen werde, dann sähe Pfister den Willen des Gesetzgebers richtig umgesetzt.

Diese Erklärung wird auf der linken Seite mit Erleichterung aufgenommen. SP-Fraktionschef Andy Tschümperlin ist «froh», wenn die Mitte das heute so formuliere: «In der damaligen Debatte klang es noch ganz anders: Da hat auch die Mitte sehr auf Verschärfung gesetzt.» Es sei ein schwieriger Tag für seine Partei gewesen, sagt Tschümperlin rückblickend. Dabei habe er schon damals gesagt, dass sich durch diesen Artikel nichts ändern werde, weil die Schweiz politisch verfolgten Deserteuren Schutz gewähren müsse.

Doch wie stabil ist die Einigkeit von CVP und SP in dieser Frage tatsächlich? CVP-Nationalrat Pfister sagt, seine Partei habe immer so argumentiert: «Das Problem war nur, dass uns von linker Seite immer unredliche Motive untergeschoben wurden.» Klingt, als würde diese neue Allianz halten. Und juristisch ist das Urteil endgültig.

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