SRF News Online: Sie bezeichnen das Aufkommen von Diensten wie Uber als Paradigmenwechsel. Warum?
Arnd Bätzner: Ich sehe einen Wandel auf zwei Ebenen. Zum einen kommt die so genannte Share Economy aus ihrer Nische heraus und wird einem grösseren Publikum zugänglich. Über Apps entsteht ein virtueller Markt, auf dem sich Anbieter und Passagiere treffen können. Zum anderen weiten Dienste wie Uber diese Share Economy auf Bereiche aus, die ihr bisher nicht zugänglich waren – etwa weil sie stark reguliert waren wie der Taximarkt. Solche Dienste testen die Grenzen bestehender Regulatorien, in manchen Fällen verstossen sie sogar ganz bewusst dagegen.
Welches Potenzial haben Angebote wie Uber?
Im Moment ist das sicher ein Nischenmarkt. Die Berichterstattung der vergangenen Wochen hat aber sicher dafür gesorgt, dass gerade Uber bekannter wurde – selbst, wenn es sich nicht immer nur um positive Meldungen handelte. Die Dienste haben ihren Ursprung in dichten, urbanen Agglomerationen und funktionieren dort auch einigermassen zufriedenstellend. Genutzt werden sie im Moment vor allem von jungen, relativ gut verdienenden, urbanen Menschen. Ob Angebote wie Uber den Transportmarkt revolutionieren werden? Da bin ich zurückhaltend. Ich glaube, sie werden ihren Platz im Markt finden, vielleicht sorgen sie sogar dafür, dass der Markt sich ausweitet. Aber sie werden bestehende Modi nicht komplett ersetzen.
Gibt es überhaupt ein Bedürfnis für Uber und Co? Entgegen aller Unkenrufe funktioniert das Transportwesen in der Schweiz doch eigentlich ganz gut.
Solche Dienste sind sicher eine sinnvolle Ergänzung des Bestehenden. Das Transportwesen funktioniert gut, aber das Bessere ist wie immer des Guten Feind. Und das Transportwesen als Ganzes steht vor gewaltigen Herausforderungen. Diese werden nicht zu bewerkstelligen sein, ohne dass im urbanen Raum weniger Autos oder weniger Fahrzeuge fahren. Und wenn Fahrzeuge verkehren, müssen sie den Raum effizienter nutzen – das ist eines der ganz zentralen Paradigmen. Dazu braucht es neue Lösungen. Die müssen nicht notwendigerweise Dinge ersetzen, sondern können sie ergänzen und das Gesamtangebot ausweiten. Und hier kommen dann Angebote wie Uber ins Spiel.
Sie sagen, Dienste wie Uber können in Zukunft die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, ergänzen. Bleibt denn sonst alles beim Alten?
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In der Stadt ist der Raum begrenzt ist und lässt sich nicht ausweiten. Die Verstädterung nimmt weltweit rasant zu. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass das private Auto in der Stadt keine Zukunft hat und zwar ganz einfach aufgrund des Platzes, den es braucht – egal, ob es sich bewegt oder abgestellt ist. Das urbane Fahrzeug der Zukunft wird der Lieferwagen sein. Denken wir nur an all die Online-Lieferdienste: Jeder Klick in einen Warenkorb resultiert in mindestens einem realen Paket. Und alle diese Pakete müssen transportiert werden. Natürlich haben nicht nur Güter, sondern auch Menschen in Zukunft steigende Anforderungen an den Transport. Bei den Gütern haben wir aber relativ wenig Spielraum: Der Handwerker kann sein Werkzeug und sein Baumaterial nicht mit in den Bus nehmen, er braucht ein Fahrzeug – selbst wenn es ein Lastenvelo ist, muss er es irgendwo abstellen können. Und auch der Paketlieferant braucht Halteplätze. Wir müssen also beim Transport für die Menschen ansetzen. Und hier wird man in Zukunft weiterhin und verstärkt auf öffentlichen, gemeinsamen Transport setzen müssen.
Sie sagen, dass der Erfolg von Diensten wie Uber in den USA auch mit der Mentalität zu tun hat. Man sei dort eher bereit, gegen Regeln zu verstossen als hierzulande. Was meinen Sie damit?
Als Uber und Lift 2012 in mehren Städten in Kalifornien starteten, kassierten sie zunächst Geldbussen. Was sie nicht davon abhielt weiterzumachen – und das Gespräch zu suchen. Letztlich schafften sie es, den Gesetzgeber auf ihre Seite zu ziehen. Er hat in Kalifornien eine neue Kategorie von Transportdienstleistern geschaffen – die so genannten «Transportation Network Companies». Das ist heute ein Sammelbegriff für alle Dienste wie dasjenige von Uber. Letztlich brauchte es also eine Regelüberschreitung am Anfang, um solche Fahrten am Ende zu legalisieren. In Europa und vor allem hier in der Schweiz wird es grundsätzlich weniger gern gesehen, wenn jemand Regeln überschreitet. Und deshalb ist wohl auch der Widerstand generell grösser. Die bestehenden Regeln sind ja auch nicht aus der Luft gegriffen: Dass der Taximarkt reguliert ist, dass es Kontrollen für die Fahrer und Tests gibt, macht ja durchaus Sinn. Das Problem liegt eher darin, dass die bestehenden Angebote oft nicht so gut funktionieren, wie sie es sollten – das kennt wohl jeder, der in Zürich oder Genf schon mal Taxi gefahren ist. Und so etwas machen sich Anbieter wie Uber zunutze.