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Schweiz Den 9. Februar rückgängig machen?

Die Schweiz soll den Verfassungsartikel wieder streichen, welcher die Zuwanderung durch Kontingente beschränkt. Dies sieht eine Volksinitiative vor, welche von der Gruppierung «Raus aus der Sackgasse» (Rasa) vorgestellt wurde. Mit-Initiant Prof. Geiser nimmt Stellung.

SRF: Ist jetzt der richtige Moment, eine neue Initiative zu lancieren?

Prof. Thomas Geiser

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Thomas Geiser ist Professor für Privat- und Handelsrecht an der Universität Sankt Gallen. Er sitzt im Rasa-Initiativkomitee. Die Gruppe wird von rund 300 Personen – auch aus dem Kultur-, Sport-, Wirtschafts- und Politikbereich – unterstützt.

Thomas Geiser: Es ist der letzte Moment, um diese Initiative zu lancieren. Laut der Übergangsbestimmung der am 9. Februar angenommenen Kontingentierungs-Initiative muss der Bundesrat binnen dreier Jahre eine Verordnung zur Umsetzung erlassen, falls das Parlament vorher kein Gesetz verabschiedet. Ich glaube nicht, dass es das Parlament in dieser Frist schaffen wird, sich auf etwas zu einigen, das die bilateralen Verträge mit der EU nicht gefährdet und gleichzeitig dem Willen der Verfassungsbestimmung entspricht. Folglich muss bis dann etwas vorliegen, das man dem Stimmbürger unterbreiten kann. Denn gegen die Verordnung des Bundesrats kann kein Referendum ergriffen werden.

Aber es ist doch kein Zufall, dass sie die Initiative nur gerade einen Tag nach der Ablehnung von Ecopop lancieren...

Man hätte es auch vorher machen können. Doch wenn die Ecopop-Initiative angenommen worden wäre, wäre die ganze Sache obsolet geworden. Auch wollten wir die Ecopop-Abstimmung durch unser Vorhaben nicht beeinflussen.

Alle grossen Parteien haben sich schon vor der Lancierung gegen Ihre Initiative ausgesprochen. Sie argumentieren, das Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative müsse respektiert werden. Riskieren Sie nicht den Vorwurf der Zwängerei und der Missachtung des Volkswillens?

«Raus aus der Sackgasse»

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Rasa will die Masseneinwanderungs-Initiative rückgängig machen. Zur Abstimmung soll es aber nur dann kommen, wenn nicht fristgerecht ein Gesetz verabschiedet wird, das mit den bilateralen Verträgen vereinbar ist. Lesen Sie hier mehr .

Zunächst einmal haben sich nicht die Parteien, sondern nur einzelne Exponenten der Parteien geäussert. Wir nehmen das Volk ernst und fragen es, ob es am Verfassungstext festhalten will, nachdem man nun die Folgen davon sieht. Wir sind ja auch nicht Politiker, sondern selber Teil des Volkes. Sowieso kann man dem Volk nicht vorwerfen, den Volkswillen zu missachten.

Sie sehen sich also als eine Art Bürgerbewegung, wie das auch Ecopop ist. Wie diese dürften auch Sie kaum von den grossen Parteien unterstützt werden. Kann Ihre Initiative trotzdem Erfolg haben?

Es kommt auf den Inhalt an. Die Masseneinwanderungs-Initiative ist am 9. Februar mit einem Zufallsmehr angenommen worden. Wenn es dereinst dann um die Frage geht, ob die Verfassungsbestimmung wieder gestrichen werden soll, werden auch die Parteien dazu Stellung nehmen müssen. Falls sie dann nicht für unsere Initiative sind, müssten sie inzwischen ihre Meinung geändert haben, denn schliesslich waren alle grossen Parteien ausser der SVP gegen die Masseneinwanderungs-Initiative.

Jetzt wird wieder über die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative diskutiert. Im Gespräch sind etwa Alternativen zur Personenfreizügigkeit wie Kontingente, Schutzklauseln und ähnliches. Sind das für Sie keine valablen Lösungen?

Ich sehe nicht, wie das Lösungen sein könnten, weil sie die bilateralen Verträge verletzen und auch mit anderen völkerrechtlichen Verträgen Probleme bereiten. Der 9. Februar hat gezeigt, dass die Büger in vielerlei Beziehungen besorgt sind. Diese Sorgen sind ernst zu nehmen. Für die Lösung der Probleme, welche diese Sorgen widerspiegeln, gibt es im geltenden Recht Instrumente, die man aber auch einsetzen muss. So gibt es zum Beispiel gegen Lohndumping die flankierenden Massnahmen zu den bilateralen Verträgen. Man muss diese nur umsetzen und anwenden.

Hand aufs Herz: Welche Chancen geben Sie Ihrer Initiative?

Ich gebe ihr wirklich gute Chancen, sonst hätte ich mich nicht dafür engagiert. Zunächst sollten wir die eine Hälfte der Bevölkerung, die am 9. Februar knapp unterlegen ist, hinter uns haben. Zudem: Sollte es das Parlament bis zur gesetzten Frist nicht schaffen, ein Gesetz zu verabschieden, werden vor der Abstimmung unserer Initiative auch die Parteien und Organisationen Farbe bekennen und ihr zustimmen müssen. Sie werden kaum eine andere Wahl haben.

Das Gespräch führte Hans Ineichen

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