Eine Nacht im Oktober 2014: Im Berner Jugendzentrum Gaskessel ist die Party voll im Gang. Draussen ist eine Gruppe junger Leute am Rauchen. Sie fallen einer Polizeipatrouille auf.
Manuel, der in Wirklichkeit anders heisst, erinnert sich daran, dass um zwei Uhr morgens vor dem Gaskessel «recht viele Leute» herumstanden, worauf die Polizisten aus dem Auto gestiegen seien und «Präsenz markiert» hätten. «Angeblich habe ich sie dann schwer beleidigt», so der junge Berner.
DNA-Probe ist nur bei bestimmten Delikten zulässig
Die Polizei wirft ihm Behinderung einer Amtshandlung vor. Einen Monat später muss er deswegen auf dem Polizeiposten erscheinen, wo die Polizei eine DNA-Probe von ihm nimmt. Er habe ein ungutes Gefühl gehabt, sagt Manuel. Nicht, weil er etwas zu verbergen habe. Doch: «Es ist die Datensammlung durch die Polizei, die einem Angst macht.» Die Polizei verfüge über wichtige persönliche Informationen, ohne dass man etwas gemacht habe, was dies legitimiere, so Manuel.
Tatsächlich muss ein bestimmtes Delikt vorliegen, damit die Polizei zum Wattestäbchen greifen darf. Dazu gehören Raub, Körperverletzung und Hinderung an einer Amtshandlung. In der Regel soll eine DNA-Probe eine konkrete Tat aufklären, wie etwa im luzernischen Emmen. Dort mussten kürzlich fast 400 Männer zum DNA-Test antreten, um eine brutale Vergewaltigung aufzuklären.
Berner Polizei im Zwielicht
Im Fall des Berners Manuel waren es andere Gründe: Die Polizei wollte seine DNA, um herauszufinden, ob er für andere, frühere Straftaten verantwortlich ist. Ausserdem glaubte sie, er könnte dereinst weitere Delikte begehen. Für den Anwalt Stephan Schmidli, der Manuel bis vors Bundesgericht vertreten hat, ist dies eine heikle Sache. Insbesondere müsse bei DNA-Proben das Gebot der Verhältnismässigkeit beachtet werden, betont er.
Dies vermisst Schmidli bei der Berner Polizei. So sei sein Mandant kein Einzelfall. Bei Demonstrationen von linken Kreisen würden fast routinemässig DNA-Abstriche gemacht, sagt Schmidli. Das gehe aber nicht: Man könne nicht einfach auf einen diffusen Verdacht hin, jemand gehöre zu einer Gruppe, aus der eine Bierflasche geworfen worden sei, eine DNA-Probe nehmen: «Das ist viel zu wenig konkret.» Schmidli glaubt, hier würden Daten auf Vorrat gesammelt.
Ich hätte kein Problem, meine DNA abzugeben.
Das sind happige Vorwürfe an die Adresse der Berner Polizei. Thomas Sollberger, Chef der Kriminalabteilung der Berner Kantonspolizei, lässt sie nicht gelten. Mit einer DNA-Probe mache man niemanden zum Kriminellen. Im Gegenteil: «Man kann die Person bei allfälligen zukünftigen Delikten entlasten – und auch bei vergangenen Delikten.» Er selber hätte keinerlei Bedenken, eine DNA-Probe abzugeben, betont Sollberger.
Am häufigsten würden im Bereich Einbruchdiebstahl DNA-Proben entnommen, so der Berner Kripochef weiter. Der Bereich Behinderung einer Amtshandlung dagegen sei ein vergleichsweise kleiner Bereich. Ausserdem werde die Auswertung der Proben bei diesen Verdachtsfällen ausschliesslich in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft vorgenommen. Das grüne Licht für DNA-Proben in diesem Bereich muss die Polizei inzwischen für jeden Einzelfall bei der Staatsanwaltschaft einholen.
Beschwerde ist möglich
Tatsächlich sei es jeweils nicht einfach zu beurteilen, ob die Entnahme einer DNA-Probe gerechtfertigt sei, gibt Christof Scheurer von der Berner Staatsanwaltschaft zu. «Es gibt dort Interpretationsspielraum», sagt er. Deshalb gebe es die Möglichkeit, nach einer DNA-Probe Beschwerde zu erheben und die DNA-Entnahme von einem unabhängigen Gericht beurteilen zu lassen.
Manuels Beschwerde hat das Bundesgericht kürzlich gutgeheissen und die DNA-Entnahme in seinem Fall als unverhältnismässig beurteilt. Die Polizei hat Manuels DNA-Profil inzwischen löschen müssen.