Es klingt einleuchtend: Wenn einheimische Frauen ihre Teilzeitpensen erhöhen, wie es die Fachkräfteinitiative vorsieht, dann braucht es in Zukunft hierzulande weniger Fachkräfte aus dem Ausland. Also gibt es auch weniger Zuwanderung.
Doch so einfach ist es nicht, zumindest besagt dies eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz. Wenn Frauen ihr Arbeitspensum erhöhen, stellen sie bei sich zuhause vermehrt Putzfrauen und Kindermädchen an, kommt die Studie zum Schluss. Diese Haushaltshilfen sind meistens Migrantinnen.
Nachfrage nach Haushalthilfen könnte steigen
Deshalb sagt Carlo Knöpfel, Mitautor der Studie und Dozent für Sozialpolitik an der Fachhochschule in Basel, die Fachkräfteinitiative könne die Migration nicht dämpfen, im Gegenteil: «Es kann sein, dass man vielleicht ein bisschen Arbeitsmigration von gut Qualifizierten ersetzen kann. Es entsteht aber eine Nachfrage nach wenig qualifizierten Frauen aus dem Ausland.»
Die Studie besagt im Detail, dass vor allem gut verdienende Frauen, sobald sie ihr Arbeitspensum erhöhen, Haushaltshilfen anstellen. Die Autoren der Studie stützen sich auf Befragungen von Haushalten in der Schweiz ab. Nach ihren Berechnungen ist der Bedarf an Putzfrauen und Kindermädchen in Zukunft so gross: «Wir gehen von einem durchschnittlichen Szenario aus und können sagen, dass auf vier Frauen, die einen höheren Beschäftigungsgrad erzielen, eine Vollzeitstelle mit Hilfe von aussen besetzt wird.»
Auf vier Frauen, die einen höheren Beschäftigungsgrad erzielen, wird eine Vollzeitstelle mit Hilfe von aussen besetzt.
5000 zusätzliche Stellen
Wenn hierzulande die Hälfte der Frauen mit Hochschulabschluss mehr arbeitet, schätzt die Studie, dann entsteht ein Bedarf von knapp 5000 Stellen im Bereich Hausarbeit. Der Grossteil dieser zusätzlichen Stellen als Putzfrauen oder Kindermädchen würde mit Migrantinnen besetzt. Der Mitautor der Studie sagt: «Diese Aufgaben als Hilfe von aussen verrichten ja vor allem Frauen mit Migrationshintergrund und tiefer Qualifikation.» Darunter seien auch viele Sans-Papiers, Frauen ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz.
Auch aktuelle Zahlen belegen dies. Eine Studie des Staatssekretariats für Migration geht davon aus, dass jeder zweite Sans-Papier in einem Haushalt arbeitet. So schaffe die Fachkräfteinitiative neue Sans-Papiers, sagt Pierre-Alain Niklaus von der Anlaufstelle für Sans-Papiers in Basel, die die Studie in Auftrag gegeben hat: «Schon heute haben wir einen Markt für Putzfrauen und Kindermädchen, in dem sehr viel schwarz gearbeitet wird, und das wird sicher noch zunehmen, weil der Bedarf noch steigen wird.»
Von der Sozialhilfe in den Haushalt
Andere Schlüsse aus der Studie zieht dagegen David Wüest-Rudin, Soziologe und Basler Kantonsparlamentarier der Grünliberalen. Er sei zwar auch davon überzeugt, dass der Bedarf an Putzfrauen steige, sagt er. Aber diese Haushaltshilfen könnten auch aus dem Inland kommen: «Wir wissen, dass wir gerade in den Städten zunehmend eine Sockelarbeitslosigkeit verzeichnen. Das sind Leute, die in der Sozialhilfe sind und dort nicht mehr rauskommen. Wenn man sie in Richtung Hauswirtschaft qualifiziert, wäre das ein grosses Potential, um auch der Nachfrage nach vermehrter Hauswirtschaftsleistung gerecht zu werden.»
Mit anderen Worten: Wie die Fachkräfteinitiative versucht, hoch qualifizierte Frauen stärker in den Arbeitsmarkt einzubinden, so könnte man auch versuchen, Langzeitarbeitslose als Haushalthilfen ins Erwerbsleben zurückzubringen. «Dann hätte man einen zweifachen Effekt. Man hätte den Inländervorrang bei den Hochqualifizierten umgesetzt und einen gewissen Inländervorrang bei den Tieferqualifizierten umgesetzt und hätte damit auch die Sozialhilfe entlastet.» Die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland liesse sich so möglicherweise auch reduzieren.