In der Schweiz soll es künftig erlaubt sein, gespendete Eizellen zu verwenden. Und: Im Reagenzglas gezeugte Embryonen sollen genauer als bisher auf allfällige genetische Defekte überprüft werden können. Sowohl in den Wissenschaftskommissionen beider Kammern wie auch in der Ethikkommission stossen die Vorschläge auf Zustimmung.
Es gibt sie zwar noch, die Skeptiker. Brigitte Häberli-Koller etwa, die Vizepräsidentin der Wissenschaftskommission des Ständerates. Aber auch sie konstatiert einen deutlichen Wandel: «Ein Wandel zu mehr Öffnung in dieser ganzen Fortpflanzungsthematik. Dieser Wandel ist wirklich deutlich zu spüren.»
Eizellen aus Spanien, Belgien oder Osteuropa
Das Thema beginnt mit der Eizelle. Hunderte von Frauen aus der Schweiz fahren jährlich nach Spanien, Belgien oder nach Osteuropa, um sich dort die Eizelle einer fremden Frau einpflanzen zu lassen. In der Schweiz wäre das verboten. Aber das müsse sich ändern, sagt Nationalrätin Kathy Riklin. Denn die Samenspende sei in der Schweiz ja auch erlaubt: «Dann soll man doch auch der unfruchtbaren Mutter helfen, wenn man dem unfruchtbaren Vater schon entgegenkommt.»
Riklin gehört wie Häberli der CVP an, jener Partei, die es bis vor kurzem Gott überlassen wollte, ob ein Paar Kinder bekommt oder nicht. Aber jetzt zählen andere Argumente: Die betroffenen Paare sollen nicht mehr ins Ausland reisen müssen. Sie würden in Schweizer Kliniken besser versorgt – und, sagt Riklin: «Man sieht die medizinischen Fortschritte, die möglich sind. Und es gibt immer mehr kinderlose Eltern, die gerne Kinder haben möchten.» Dem Wunsch will sie nicht im Weg stehen.
Vorstoss aus den christlichen Reihen
Die Initiative zur Einführung der Eizellenspende stammt ausgerechnet von der CVP – aus der Feder des Waadtländer Nationalrats Jacques Neirynck, Honorarprofessor an der ETH und ein Advokat der Wissenschaften. Sein Antrag erhielt vor zwei Wochen in der Wissenschaftskommission des Nationalrats zwei Drittel der Stimmen.
Eizellen werden im Reagenzglas mit den Spermien zusammengebracht. Dabei entstehen Embryonen. Aber in welchen Fällen dürfen diese Embryonen untersucht werden, bevor sie in die Gebärmutter der Frau eingepflanzt werden? Geht es nach dem Bundesrat, dürfen das nur etwa 100 Eltern pro Jahr – die Eltern, die damit rechnen müssen, dass sie ihrem Kind eine sehr schwere Krankheit vererben.
«Darf man noch ein behindertes Kind haben?»
Die Wissenschaftskommission des Ständerats will viel weiter gehen: Alle, die sich künstlich befruchten lassen, sollen diese Tests machen dürfen – das sind bis zu 6000 Frauen pro Jahr. Zudem sollen die Tests viel umfassender sein und etwa auch das Down-Syndrom, also Trisomie 21, umfassen. Häberli wurde in dem Punkt deutlich überstimmt. «Das finde ich sehr heikel. Es geht auch um die Frage der behinderten Menschen. Darf man denn in der Gesellschaft noch ein behindertes Kind haben? All diese schwierigen Fragen werden auf uns zukommen.» Deshalb sei sie sehr zurückhaltend betreffend der Schritte, die sich abzeichnen, sagt Häberli.
Eine wichtige Rolle bei all diesen Entscheiden spielt die nationale Ethikkommission. Aber auch hier findet ein Umdenken statt. Das bestätigt Brigitte Tag. Sie ist Straf- und Medizinrechtsprofessorin an der Universität Zürich und Mitglied dieser Kommission.
Ausschlaggebend sei vor allem der medizinische Fortschritt; die Tatsache, dass man Risiken und Nebenwirkungen heute viel besser einschätzen könne, sagt Tag: «Es bedeutet, man kann viele Fragen neu angehen, nochmal offener diskutieren. Und das führt auch zu neuen Ergebnissen.» So hat sich die Ethikkommission bereits mehrheitlich für die Einführung der Eizellenspende in der Schweiz ausgesprochen.
In zwei Wochen präsentiert die Ethikkommission ihre umfassenden Überlegungen zu dem Thema. Das letzte Wort werden die Stimmbürger haben.