Ein Automatismus bei der Umsetzung der Pädophilen-Initiative kommt für den Bundesrat nicht in Frage. Für leichte Fälle sieht er deshalb eine Ausnahme vor. Justizministerin Simonetta Sommaruga erläuterte die Haltung des Bundesrates anhand von Beispielen.
Dazu gehört die Kioskverkäuferin, die einem Minderjährigen ein Sexheftli verkauft: Hier möchte der Bundesrat, dass ein Richter abklären kann, ob die Kioskverkäuferin neben der Strafe nach geltendem Recht zwingend mit einem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot belegt werden muss.
Gleiches gelte für die sogenannte Jugendliebe, so Sommaruga. Ein 20-Jähriger werde schon heute bestraft, wenn er mit einer 15-Jährigen Sex habe. Es stelle sich aber die Frage, ob ein lebenslängliches Berufsverbot ohne jegliches Ermessen durch einen Richter hier angebracht sei.
Rechtsstaats-Prinzipien berücksichtigen
Ein Automatismus ohne Ausnahmen würde die Richter faktisch entmachten, für die Gerichte gäbe es kein Ermessen mehr, gab Sommaruga zu bedenken. Bagatellfälle und schwere Verbrechen würden genau gleich behandelt. Dies stehe im Widerspruch zum Rechtsempfinden und zum Strafrecht.
Ausnahmen sind bei schweren Taten nicht möglich. Das gilt für Vergewaltigung, sexuelle Nötigung oder Schändung.
Bei der Umsetzung des neuen Verfassungsartikels gelte wie immer, dass die übrigen Bestimmungen der Bundesverfassung deswegen nicht ausser Kraft seien, stellte Sommaruga fest. Vor allem fundamentale Prinzipien des Rechtsstaates wie das Prinzip der Verhältnismässigkeit seien nach wie vor gültig und müssten bei Umsetzung berücksichtigt werden.
Bundesrat erweitert Deliktkatalog
Im Sinne der Initianten erweiterte der Bundesrat in seinem Gesetzesentwurf den Deliktkatalog. So soll neu auch sexuelle Belästigung ein Grund sein, für ein lebenslanges Tätigkeitsverbot. Dieses soll zudem unabhängig von der Höhe der Strafe angeordnet werden.
Sommaruga erinnerte ferner daran, dass die Initianten vor der Abstimmung einen Vorschlag für die Umsetzung vorgelegt hatten, der bei den Ausnahmen weiter gegangen sei als der Vorschlag des Bundesrates. Gemäss dem Vorschlag der Initianten sollten die Behörden unter Umständen nicht nur auf ein Tätigkeitsverbot, sondern sogar auf die Strafverfolgung verzichten können, zum Beispiel bei einem geringen Altersunterschied zwischen Opfer und Täter.
Die neuen Bestimmungen ergänzen das am 1. Januar 2015 in Kraft getretene Tätigkeitsverbot. Damals wurde das alte Berufsverbot zu einem umfassenden Tätigkeitsverbot ausgeweitet. Das Gericht kann seither auch ausserberufliche Tätigkeiten in Vereinen oder anderen Organisationen verbieten, wenn nötig lebenslang. Der Gesetzesentwurf des Bundesrates geht nun bis Ende August in die Vernehmlassung.