Wer in Europa ein Asylgesuch stellt, kann grundsätzlich nicht aussuchen, wo er oder sie Schutz erhalten möchte. Zuständig ist gemäss Dublin-Regeln oft jenes Land, das zuerst betreten wurde. Im Falle Griechenland war diese Regel lange ausgesetzt, weil das Asylsystem «systemische Mängel» aufwies. Nun werden zunehmend wieder Menschen nach Griechenland geschickt. Das Bundesverwaltungsgericht schickt nun eine Familie mit Kindern nach Griechenland zurück. Inlandredaktor Matthias Strasser ordnet ein.
Was hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden?
In dem Fall ging es um eine Familie aus Afghanistan mit zwei minderjährigen und einem erwachsenen Kind. Die Familie hatte zunächst in der Türkei gelebt, dann hat sie in Griechenland einen Schutzstatus erhalten. Anschliessend ist die Familie in die Schweiz gereist und hat hier erneut ein Asylgesuch gestellt. In einem Referenzurteil hat das Gericht jetzt entschieden, dass die Familie trotz aller Schwierigkeiten nach Griechenland zurückkehren muss.
Hat sich die Situation für Asylsuchende in Griechenland deutlich verbessert?
Flüchtlingsorganisationen sagen: Nein. Nicht wirklich, sagt auch das Bundesverwaltungsgericht. Die Integration sei immer noch mit vielen Hürden verbunden. Wichtig sei aber die Unterscheidung zwischen Menschen, die in Griechenland noch im Asylverfahren stehen und solchen, die bereits einen positiven Entscheid erhalten haben. Für die zweite Gruppe sei eine Rückkehr grundsätzlich zumutbar.
Auch andere europäische Gerichte entschieden zuletzt ähnlich. Wie ist diese Verschärfung einzuordnen?
Zunächst waren es die Gerichte, welche die Rückführungen nach Griechenland gestoppt hatten. Auch die Schweiz verzichtete in der Folge weitgehend auf solche Dublin-Rückführungen. Seit letztem Jahr hat die Schweiz ihre Praxis nun geändert – wieder mit Unterstützung der Gerichte. Es werden vermehrt Menschen mit Verweis auf die Dublin-Regeln nach Griechenland zurückgeschickt. Das SEM stellt sich heute auf den Standpunkt, das griechische Asylsystem habe keine «systemischen Mängel» mehr, man müsse also nicht mehr davon ausgehen, dass ein faires Asylverfahren und eine menschenwürdige Unterbringung per se in Frage gestellt sei. Menschen im Asylverfahren werden laut SEM aktuell aber nicht nach Griechenland weggewiesen.
Was ändert sich für Geflüchtete, wenn Griechenland wieder zum Dublin-Regelzustand zurückkehrt?
Beim Regelzustand sind wir noch nicht. Das Staatssekretariat für Migration SEM prüft jeden einzelnen Fall. Aber tendenziell werden wieder mehr Menschen zurückgeschickt. Das hat Folgen für das europäische Asylsystem und die Betroffenen: Als Griechenland im Dublin-System ausfiel, haben andere Länder die Betroffenen aufgenommen. Oft haben sie in der Schweiz eine vorläufige Aufnahme erhalten. Wer aus Griechenland in die Schweiz weiterreiste, konnte also bleiben. Das ist jetzt seltener der Fall.