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Untersuchungspflicht verletzt Gericht: Rückweisung Asylsuchender nach Griechenland prekär

  • Das Staatssekretariat für Migration SEM hat bei der Überstellung eines Asylsuchenden nach Griechenland seine Pflichten verletzt.
  • Zu diesem Schluss kommt das Bundesverwaltungsgericht.
  • Konkret wollte das SEM einen türkischen Asylsuchenden nach Griechenland zurückführen – im Rahmen des Dublin-Abkommens.
  • Doch das SEM hätte die Abschiebung individuell abklären müssen, begründet das Bundesverwaltungsgericht seinen Entscheid.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt seine Rechtsprechung, wonach das Asylwesen in Griechenland systemische Mängel aufweist. Das Staatssekretariat für Migration darf deshalb keine Asylsuchenden dorthin überstellen, ohne vorher die Situation im Einzelfall geklärt zu haben.

Im konkreten Fall trat das SEM 2024 auf das Asylgesuch eines türkischen Staatsangehörigen nicht ein. Es verfügte gestützt auf die Dublin-III-Verordnung seine Überstellung nach Griechenland, weil er dort bereits registriert worden war.

Die griechischen Behörden versicherten dem SEM, dass der Betroffene Zugang zum Asylverfahren und zu einer Unterkunft erhalten werde – alles gemäss einer Empfehlung der Europäischen Kommission vom Dezember 2016. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem nun publizierten Urteil die Beschwerde des Mannes gutgeheissen.

«Systemische Mängel»

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Referenzurteil festgehalten, es gelte nach wie vor seine bisherige Rechtsprechung zum griechischen Asylwesen. Es sei davon auszugehen, dass die dortige Organisation systemische Mängel aufweise. Zu diesem Schluss kam 2011 auch der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Die Vermutung, wonach alle Dublin-Mitgliedstaaten sichere Länder seien, gilt laut Bundesverwaltungsgericht für Griechenland nicht. Die Überstellung von Asylsuchenden dorthin könne jedoch nach einer individuellen Prüfung rechtmässig sein.

Menschen in einem Flüchtlingslager mit Zelten.
Legende: Das Bundesverwaltungsgericht pfeift den Bund bei der Abschiebung eines Asylsuchenden nach Griechenland zurück. (Bild von einem Flüchtlingscamp auf der griechischen Insel Lesbos) EPA/VANGELIS PAPANTONIS

Im vorliegenden Fall habe das SEM seine Untersuchungspflicht verletzt, indem es keine solche Prüfung durchgeführt habe. Einzig auf die Zusicherung der griechischen Behörden und auf eine Empfehlung der Europäischen Kommission abzustellen, genüge nicht. Dies gelte umso mehr, als die Empfehlung aus dem Jahr 2016 stamme und das SEM in den letzten Jahren fast keine Asylsuchende nach Griechenland zurückgeschickt habe.

Das SEM muss nun die zusätzlichen Abklärungen machen und einen neuen Entscheid fällen. Dieses Urteil ist endgültig und kann nicht beim Bundesgericht angefochten werden.

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SRF4 News, 27.06.2025, 12 Uhr ; 

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