Die Beziehung Schweiz-EU gleicht einer Baustelle: Einiges an Arbeit steht an – bei der Personenfreizügigkeit, beim Stromabkommen sowie beim institutionellen Rahmenabkommen.
Am Montag reist Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga nach Brüssel. Auf dem Programm der Bundesrätin stehen Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.
Als letzte Schweizer Bundespräsidentin stattete 2012 Eveline Widmer-Schlumpf Brüssel einen Besuch ab. Die zweijährige Pause kann auch als Ausdruck einer merklich abgekühlten Beziehung zwischen der Schweiz und der EU verstanden werden.
Kein Mandat im Gepäck
Dringlichstes Problem ist und bleibt die Personenfreizügigkeit. Eigentlich hätte Sommaruga mit dem Vorschlag des Bundesrats zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative und dem Mandat für Neuverhandlungen der Personenfreizügigkeit mit der EU nach Brüssel reisen sollen. Beides liegt nicht vor und Sommaruga wird Juncker somit die Schweizer Position lediglich skizzieren können.
Auf Seite der EU ist die Position klar: Am Prinzip der Personenfreizügigkeit wird nicht gerüttelt. Dies hatten die 28 EU-Mitgliedstaaten im Dezember nochmals bekräftigt. Brüssel lehnte bisher auch ab, sich zu entsprechenden Gesprächen überhaupt mit der Schweiz an einen Tisch zu setzen. Könnte Sommaruga dies erreichen, wäre das schon ein Erfolg.
Bei der Umsetzung drängt die Zeit
Denn gemäss dem angenommenen Verfassungsartikel über die Zuwanderung muss der Bundesrat innert drei Jahren Kontingente und den Inländervorrang einführen, wenn er mit der EU keine Lösung findet.
An der Personenfreizügigkeit hängen überdies fast alle weiteren Abkommen zwischen der Schweiz und der EU – so auch das Stromabkommen. Verlautete bisher aus Brüssel «ohne Rahmenabkommen kein Stromabkommen», hat sich sie Situation seit dem Volksentscheid zur Zuwanderung nochmals verkompliziert.
«Ohne eine Lösung des Problems mit der Personenfreizügigkeit werden keine Abkommen unterzeichnet», definierte Mitte 2014 der damalige EU-Chefdiplomat David O‘Sullivan die Bedingungen.
Zeitdruck beim Stromabkommen
Vor allem beim bilateralen Abkommen im Elektrizitätsbereich hat sich die Situation für die Schweiz zugespitzt. Ab Juli 2015 macht die EU mit der Marktkoppelung den nächsten wichtigen Schritt hin zu einem euopaweiten Strombinnenmarkt. Die Schweiz könnte dabei auf den Status eines Drittstaates abzurutschen.
Darum reiste vergangene Woche Energieministerin Doris Leuthard nach Brüssel, um mit EU-Energiekommissar Miguel Arias Cañete über ein Übergangsabkommen zu sprechen. Dieser erklärte sich bereit, Hand zu bieten, stellte aber harte Bedingungen: unter anderem eine Lösung bei der Strommarkt-Überwachung und der Streitschlichtung.
Doch ausgerechnet diese Punkte sind bei den Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen für die Schweiz besonders heikel, weil Entscheide aus dem Stomabkommen auf das Rahmenabkommen einwirken könnten.
Personenfreizügigkeit als Pfand
Doch die EU pocht auf die Aufrechterhaltung der Personenfreizügigkeit. So machte Energiekommissar Cañete klar, dass ohne Lösung bei der Personenfreizügigkeit das Übergangsabkommen zum Strommarkt verfällt.
Das Gleiche gilt auch für die ausgehandelte Teilnahme der Schweiz am EU-Forschungsprogramm «Horizon 2020».