Die SP-Politikerin Qëndresa Sadriu sitzt seit sechs Jahren im Zürcher Kantonsrat. Ihre Eltern kommen ursprünglich aus dem Kosovo, sie selbst ist in der Schweiz geboren.
Ihre Schulzeit sei geprägt gewesen von stereotypen Zuschreibungen und Rassismen: «Es gab viele Kommentare, dass wir nur Probleme machten, dass unsere Väter gewalttätige Mörder und Raser sind.»
In den 1990er- und 2000er-Jahren sind die Kosovarinnen und Kosovaren in der Deutschschweiz eine der meist-stigmatisierten Gruppen gewesen, sagt Janine Dahinden, Migrationsforscherin an der Universität Neuenburg. Rassistische Plakate wie jenes der SVP mit dem Slogan «Kosovaren schlitzen Schweizer auf» heizten die Stimmung auf.
Lange hätte sie das Gefühl gehabt, sich in allem anpassen und rechtfertigen zu müssen, erzählt Qëndresa Sadriu. Ein Schlüsselmoment sei für die SP-Politikerin die Lehrstellensuche gewesen: Trotz guter Noten musste sie 287 Bewerbungen verschicken. In diesem Moment habe sie den Entschluss gefasst, politisch aktiv zu werden, um anderen dieselben Schwierigkeiten zu ersparen.
Ein völlig anderes Bild der Schweiz
Auch Hamit Zeqiri erzählt von Schwierigkeiten, wenn er auf seine Anfangszeit in der Schweiz zurückblickt. Der Luzerner flüchtete 1994 als 23-Jähriger in die Schweiz, weil er im Kosovo politisch verfolgt wurde. «Ich habe mir unter der Schweiz immer eine hochdifferenzierte Gesellschaft vorgestellt, der man nicht erklären muss, dass es DIE Kosovaren nicht gibt.»
Er sei anfangs auf viel Ablehnung gestossen. Doch mit der Zeit hätte sich das geändert. Für Hamit Zeqiri ist das Ausdruck eines gegenseitigen Prozesses: «Als das Bild von uns Kosovarinnen und Kosovaren besser wurde, hat sich auch der Integrationsprozess beschleunigt.»
Wir haben uns unseren Platz in der Gesellschaft erkämpft
Auch Qëndresa Sadriu ist überzeugt, dass sich das Bild der kosovarischen Community mittlerweile geändert hat. «Wir sind selbstbewusster geworden, fordern unseren Platz ein und sind aktiver Teil der Gesellschaft.»
Auch in der Politik sind Menschen mit kosovarischem Migrationshintergrund immer mehr vertreten: 2023 wurde Ylfete Fanaj als Luzerner Regierungsrätin gewählt, im gleichen Jahr schaffte es der Zürcher Nationalrat Islam Alijaj in den Nationalrat.
Doch Diskussionen wie jene im Nachgang zum Doppeladler-Jubel von Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka an der Fussball-WM 2018 hätten ihr gezeigt, dass die alten Narrative noch nicht vollständig überwunden seien. Denn plötzlich wurde ihr «Schweizersein» wieder in Frage gestellt, eine Trennung gemacht zwischen «echten» Schweizern und den anderen. «Wir sind so lange gut, wie wir ruhig sind und in die Norm passen», sagt Qëndresa Sadriu.