Zum Inhalt springen

Schweizer Corona-Sonderweg Der bürgerliche Widerstand gegen strengere Massnahmen bröckelt

In Schweizer Einkaufsstrassen herrscht Weihnachtsstimmung, in den Strassen drängen sich die Menschen. Zwischen Lametta und Glitzer in den Menschenmassen gehen die hohen Corona-Fallzahlen beinahe unter. Die strengen Ermahnungen des Bundesrates verhallen scheinbar ungehört.

Die Einkaufsstrassen sind neben den offenen Skigebieten die wohl offensichtlichste Manifestation des freiheitlichen Schweizer Sonderweges. So viele vorweihnachtlichen Freiheiten wie in der Schweiz gibt es kaum woanders in Europa. Gerade bürgerliche Parteien haben sich vehement gegen neue Einschränkungen in der ganzen Schweiz gewehrt. Wenn schon, dann sollten die Kantone entscheiden.

Der Glaube an den Föderalismus bröckelt

Doch das ist nun vorbei. Im Angesicht wieder steigender Fallzahlen ändern manche bürgerliche Parteien ihre Meinung. CVP-Präsident Gerhard Pfister sieht die Zeit gekommen, dass der Bund sich wieder stärker in das Corona-Geschehen einschaltet.

Es ist richtig, dass sich der Bundesrat mit den Kantonen darauf verständigt, was im Land gelten soll.
Autor: Gerhard Pfister Präsident CVP

Er sagt: «Wir haben gesehen, dass regionale Massnahmen nicht reichen. Deshalb ist es richtig, dass sich der Bundesrat mit den Kantonen darauf verständigt, was im Land gelten soll.» Und dies sagt der Parteipräsident, obschon sich seine Partei noch vergangene Woche an vorderster Front gegen Beschränkungen in Skigebieten stark gemacht hatte.

Kritik am Hin-und-Her

Auch bei der FDP wehrt man sich nicht grundsätzlich gegen die vom Bundesrat geplanten Massnahmen. FDP-Fraktionspräsident Beat Walti sieht auch ein, dass nun strengere Massnahmen aufgezogen werden müssen: «Wenn die epidemiologische Entwicklung sich so abzeichnet, wie sie es tut, dass Zahlen zunehmen und die Kontrolle nicht mehr gegeben ist, dann braucht es strengere Massnahmen».

Dennoch zeigt er sich verwirrt ob der anscheinenden Strategielosigkeit des Bundesrates. Zuerst den Kantonen den Auftrag zu geben, die Massnahmen zu verschärfen, und dann nach wenigen Tagen doch selbst einzugreifen, sei verwirrend.

Unsere Strategie ist der Föderalismus. Die Kantone und die Regierungsräte entscheiden.
Autor: Marco Chiesa Präsident SVP

Sogar die SVP wehrt sich nicht überall gegen strengere Massnahmen. Diese müssten aber in den Kantonen beschlossen werden, meint Parteipräsident Marco Chiesa. Der Bund solle sich raushalten. «Unsere Strategie ist der Föderalismus. Die Kantone und die Regierungsräte entscheiden. Wir müssen auf dieser Linie bleiben. Diese Beurteilung muss in den Kantonen gemacht werden.»

Leere Strassen unwahrscheinlich

Trotz des Meinungsumschwungs im bürgerlichen Lager dürfte die Shopping-Stimmung in der Schweiz noch weiter anhalten. Zwar vermutlich mit kürzeren Öffnungszeiten und keinen anschliessenden Verpflegungen in Restaurationsbetrieben, aber dennoch mit mehr Freiheiten als in vielen Nachbarländer. Zumindest, solange sich die Situation nicht noch weiter zuspitzt.

Wie genau die neuen Massnahmen aussehen, entscheidet der Bundesrat am Freitag.

Tagesschau 10.12.2020, 19.30 Uhr; fulu;hosb

Meistgelesene Artikel