Feine weisse und schwarze Linien auf einer roten Glasplatte: Die Karte vom Verlauf der Saane erinnert auf den ersten Blick eher an abstrakte Glaskunst als an eine topografische Landkarte. «Es ist ein Stück Schweizer Erfolgsgeschichte», so Lukas Gerber, Historiker beim Bundesamt für Landestopografie Swisstopo.
Eigenes Verfahren entwickelt
Swisstopo vermisst die Schweiz, erhebt und dokumentiert Veränderungen der Landschaft und stellt Karten der Schweiz her. Ob eine gefaltete Landeskarte für unterwegs oder eine Karte auf dem Smartphone: Alle Schweizer Karten brauchen ein Original.
Warum aber hat Swisstopo für diese wertvollen Originale ausgerechnet auf Glas gesetzt, das gemeinhin als fragiler Werkstoff gilt?
Um das zu verstehen, ist ein Blick zurück nötig: 1935 erhält Swisstopo den Auftrag, neue Landkarten der Schweiz anzufertigen. Das Bundesamt macht sich an die Arbeit, greift dafür auf bekannte Verfahren zurück und ritzt die Karten in Stein oder Metall. Das dauert aber zu lange. «Swisstopo geriet zeitlich in Verzug. 1949 waren erst ein Drittel der geforderten Karten fertig» erklärt Lukas Gerber. Kritik wird laut: Zu kompliziert und zu teuer seien die angewandten Techniken.
Swisstopo sucht also händeringend nach neuen Techniken und testet verschiedene Materialien. Unter anderem auch Glas, auf das eine Gravurschicht aus Lack aufgetragen wird. «Glas hat den Vorteil, dass es bei Feuchtigkeitsveränderungen und Temperaturschwankungen stabil bleibt. Die Masshaltigkeit ist gegeben, das Gravierte bleibt auch über lange Zeit so, wie es ist.»
Glas nur zu Beginn versichert
Das Bundesamt für Landestopografie setzt deshalb auf Glas und entwickelt ein eigenes Verfahren, ein – wie der Historiker sagt – «extrem kompliziertes Verfahren» mit über siebzig Zwischenschritten. Trotzdem ist dieses günstiger und auch schneller als die alten, bekannten Techniken. Diese Pionierleistung ist ein Befreiungsschlag für Swisstopo.
Soll man aber derart wichtige Informationen auf Glas verewigen? Offenbar war auch Swisstopo anfangs skeptisch. «Das hat sich aber geändert. In den 1960er-Jahren sagte ein Mitarbeiter von Swisstopo in einer Zeitung, man habe nun die Glasversicherung gekündigt, weil noch nie ein Glas zerbrochen sei.»
Bis Ende der 1990er-Jahre nutzt Swisstopo die Glasgravur, um die Originallandeskarten zu speichern. «Diese Originale haben garantiert, dass die Karten über Jahrzehnte druckbar blieben und auch, dass sie immer wieder aktualisiert werden konnten», so Lukas Gerber.
Ab den 1980er-Jahren arbeitet Swisstopo an neuen Abbildungs- und Speicherverfahren. Seit Anfang 2000 werden nun alle Originalkarten digital gespeichert. Physische Originale braucht das Bundesamt deshalb heute nicht mehr. Die Glasplatten haben ausgedient.