Die Böden im Seeland lösen sich sprichwörtlich in Luft auf. Der Grund: Es sind spezielle Böden, sogenannte Torfböden. Um das Land zu bewirtschaften, wurden vor Jahrzehnten Entwässerungssysteme gebaut und das Land trocken gelegt. Doch wenn Torf an die frische Luft kommt, verrottet er schnell, sackt also in sich zusammen.
Das Problem: Der Boden versumpft wieder – oder die Torfschicht ist sogar so dünn, dass kaum mehr Gemüse darauf wachsen kann. Dies, weil die Schicht unter dem Torf zu hart ist und nicht bewirtschaftet werden kann.
Die Folgen sind gravierend: Die Böden im Seeland – dem Gemüsegarten der Schweiz – senken sich seit Jahren, zum Teil haben sie sich schon um 2.5. Metern gesenkt. Bauern berichten davon, dass pro Jahr zum Teil mehrere Zentimeter Boden verschwinden.
Täler und Wellen auf dem Feld
Was das bedeutet, sieht man beispielsweise am Rand von Ins im Kanton Bern. Die Böden hier sind topfeben. Auch das Feld des Gemüsebauern Ueli Kirchhofer im «Jeansmöösli». Topfeben? Nicht ganz. Wenn man genau hinschaut, sieht man Vertiefungen; kleine Täler, die sich wie Wellen über das ganze Feld hinwegziehen.
Diese Vertiefungen habe es früher nicht gegeben, sagt Bauer Kirchhofer. Bei feuchtem Wetter werde aus dem Gemüsefeld eine Sumpflandschaft, das Wasser fliesse nicht mehr ab. «Der letzte Sommer war sehr feucht, hier bildeten sich zahlreiche Seen.» Und das sei nicht nur im letzten, rekordnassen Sommer so gewesen, sondern sei in den letzten Jahren vermehrt vorgekommen. «Wir müssen handeln», so Ueli Kirchhofer.
Die Landwirtinnen und Landwirte wollen Gegensteuer geben. Nun laufen die ersten grossen Bauprojekte an, mit denen der fruchtbare Boden im Gemüseland erhalten und die regelmässige Überschwemmung verhindert werden sollen.
«Keine Landwirtschaft im Seeland: Diese Gefahr ist real»
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Markus Steger ist Leiter der Fachstelle Boden des Kantons Bern. Er ordnet den Handlungsbedarf ein.
Wie gross ist die Gefahr, dass dereinst grosse Flächen nicht mehr zu bewirtschaften sind?
Die Gefahr ist tatsächlich real. Wir haben das Problem im Berner Seeland, dass man vor rund 200 Jahren begonnen hat, grossflächig Böden trockenzulegen.
Früher waren diese Böden im oder unter Wasser, weshalb wegen des fehlenden Sauerstoffs der Abbau des organischen Materials nicht stattfinden konnte. Das ist nun anders. Bleiben die Böden die meiste Zeit trocken und unternimmt man nichts, bauen sie sich weiter ab. Irgendwann mal werden die mineralischen, weniger fruchtbaren Schichten hervorkommen.
Die Bauern sagen, es sei fünf vor zwölf. Wurde in der Vergangenheit dem Problem zu wenig Beachtung geschenkt – gerade auch aufseiten des Kantons?
Der Kanton hat primär die Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Bodenfruchtbarkeit mit allen Facetten im grossen Moos geschützt werden kann. Der Kanton stösst selber keine Projekte an – das ist Sache der Grundeigentümer. Die Funktion des Kantons ist auf der Bewilligungsseite und ich sehe, dass man da vielleicht früher sehr restriktiv bewilligt hat, also viele Projekte nicht möglich waren. Mittlerweile hat die Praxis, soweit ich das überblicken kann, geändert und man ist etwas grosszügiger für solche landwirtschaftliche Bodenaufwertungen.
Sind denn die Böden im Berner Seeland noch zu retten?
Ich denke, es kommt sehr darauf an, um welche Standorte es geht. Alle Böden und jede Parzelle wird man wohl nicht retten können. Das macht auch keinen Sinn.
Eine Bodenaufwertung im landwirtschaftlichen Sinn soll ja quasi die Produktivität vom Boden sicherstellen. Ist diese zu aufwendig, lohnt sie sich schlicht nicht.
Wo steht man denn jetzt genau?
Es geht um sehr grosse Flächen, welche bedroht sind, um mehrere tausend Hektaren. Es handelt sich zum überwiegend grossen Teilen um Flächen, welche im Inventar der Fruchtfolgeflächen sind. Das sind Gebiete, wo man in Zeiten gestörter Zufuhr, also in Krisenzeiten Nahrungsmittel produzieren sollte. Wenn man die Fläche einfach so aufgibt, dann wird der Kanton Bern ein ernsthaftes Problem haben, dass man die vom Bund geforderte Mindestfläche für den Ackerbau noch erreichen kann. Wir müssen nun sehr differenziert hinschauen, wo sich solche Projekte lohnen – und zwar mit allen Interessengruppen, also auch mit Anwohnerinnen oder dem Naturschutz.
Schon seit Jahren füllen die Bauern kleine Löcher mit Erde auf – oft ohne Bewilligung. Nun wird das grossflächig gemacht – mit der Einwilligung der Baubehörden.
Wie das geht, zeigt Ueli Kilchhofer ein paar Meter weiter. Er führt übers Feld: Plötzlich ist der Boden nicht mehr schwarz, sondern hell-braun, hier wurde vor ein paar Monaten mit Lastwagen überschüssige Erde von Baustellen hergebracht und mit dem Torfboden vermischt. Noch sieht das Gelände eher aus wie eine Mondlandschaft denn ein Gemüsefeld.
Das Gelände ist nach dieser Bearbeitung leicht höher, soll also künftig weniger überschwemmt werden. Zudem kann der Grundwasserspiegel auf einem konstanten Niveau gehalten werden. Der Effekt: Die Torfböden verrotten weniger schnell und bleiben erhalten – Kartoffeln, Spinat oder Getreide kann weiterhin darauf wachsen.
Auf dem Feld im «Jeansmöösli» im Grossen Moos bei Ins spriesst derzeit Hafer – Bauer Kirchhofer ist zufrieden: «Schon nach dem ersten Jahr sieht es gut aus – mein Landwirtschafts-Herz frohlockt.» Die Pflanzen gedeihen, der Boden konnte für die nächste Generation von Bäuerinnen und Bauern gerettet werden, wie Ueli Kirchhofer sagt.
Zusammen mit anderen Grundeigentümern will er nun weitere Felder bearbeiten. Was hier in Ins im Kleinen schon gemacht wurde, soll demnächst auch im benachbarten Gals passieren. Es ist aktuell eines der grössten dieser Projekte in der Region.
Rund 70 Hektaren, also dutzende Fussballfelder, werden hier in den nächsten zehn Jahren für die landwirtschaftliche Zukunft wieder fit gemacht. Kostenpunkt: rund eine Million Franken.
Am Rand der Felder haben Bauarbeiter in den letzten Wochen einen grossen Parkplatz erstellt. Hier werden demnächst Lastwagen tausende Kubikmeter Erde anliefern. Das Material wird kontrolliert und wenn nötig von grossen Steinen gesäubert. Baumaschinen stehen da und warten auf den Einsatz. Arbeiter stellen Zäune auf.
An solch aufwändigen Projekt gibt es auch Kritik; manche Naturschützer hätten in solchen Gebieten lieber – wie früher – Feuchtgebiete – und keine intensive Landwirtschaft.
Skepsis gegenüber Bodenverbesserung
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Die Naturschutzorganisation Pro Natura ist skeptisch, was solche Projekte angeht. Sie dürften nur dort durchgeführt werden, «wo sich eine alternative Nutzung fachlich begründet nicht lohnt», teilt Pro Natura auf Anfrage mit.
Zwingend sei eine fachliche Begleitung. Zudem stelle sich laut Pro Natura die Frage, was mit «Bodenverbesserung» genau verbessert werden soll. Schliesslich sei es auch wertvoll, etwas für die Biodiversität oder das Bodenleben zu tun – also nicht nur einfach auf die Landwirtschaft zu achten.
Agronomin Aurelia Marti, welche das Projekt bei Gals leitet, sagt zu dieser Kritik: «Wenn uns die Nahrungsmittelproduktion in der Schweiz wichtig ist, müssen wir an solchen Stellen etwas tun.» Sonst werde die Produktion einfach ins Ausland verlagert – und dort stellen sich laut Marti ähnliche Probleme mit solchen Böden. Die Felder des Seelandes gelte es jetzt vor der Versumpfung und dem Verschwinden zu bewahren.
An verschiedenen Orten im Seeland, aber auch im St. Galler Rheintal und in der Linthebene, gibt es ähnliche Projekte. Noch sind aber nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zum effektiven Nutzen vorhanden, weshalb der Bund die Projekte wissenschaftlich begleiten lässt.
So handeln Bund und Kantone
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Bund und Kantone unterstützen sogenannte Bodenaufwertungen – wie auch das erwähnte «Jeansmöösli» in Ins – mit finanziellen Beiträgen. Die Förderung geschieht im Rahmen der landwirtschaftlichen Strukturverbesserungen. Das heisst, die Landwirtschaft soll mit solchen Projekten unterstützt werden. Projekte gibt es nicht nur im Seeland. Gegenwärtig laufen gemäss dem Bundesamt für Landwirtschaft schweizweit sieben solche Projekte in den Kantonen BE, GL, SG, VD.
Der Beitrag des Bundes für diese Projekte beträgt insgesamt rund 1.3 Millionen Franken. Dazu kommen Beiträge der Kantone in etwas geringerem Umfang.
Weitere Projekte sind in verschiedenen Kantonen in Vorbereitung. Es besteht keine «Aufwertungsstrategie» vonseiten des Bundes, wie eine Sprecherin festhält. Es gebe jedoch Bestrebungen, die Bodenaufwertungen in Zukunft auf eine bessere wissenschaftliche Basis zu stellen und Grundlagen für eine Priorisierung zu schaffen, damit die beschränkten finanziellen Mittel möglichst dort eingesetzt werden, wo der Handlungsbedarf und der Nutzen gross sind.
Die Bauern im Seeland sind überzeugt, dass diese Bodenaufwertungen helfen. So auch Ueli Kirchhofer im bernischen Ins. «Ein Boden ist wie ein Haus: Man muss immer etwas investieren – sonst gibt es keine Erträge.»
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