Göschenen im Kanton Uri, in der Nähe des Gotthard-Nordportals: Über einem Strommast der Schweizer Netzbetreiberin Swissgrid schwebt ein Helikopter. Darunter hängen zwei Männer in Helm und Leuchtjacke an einem langen Seil. Sie haben grosse Plastikkugeln bei sich, sogenannte Flugwarnkugeln.
Die beiden Männer hängen sich an der ausgeschalteten Stromleitung ein und tauschen eine verblichene Kugel gegen eine neue in knalligem Orange aus. Sie dient Gleitschirmfliegerinnen oder der Rega als Warnung vor den sogenannten Freileitungen, die hier in der Luft hängen.
Ein Stück weiter stehen Arbeiter hoch oben auf einem Strommast. Sie tragen eine neue Schicht grüner Farbe auf, die den Mast vor Rost schützt.
Jeden Sommer saniert Swissgrid einen Teil ihres 6700 Kilometer langen Höchstspannungsnetzes, um der Abnutzung durch Wind und Wetter entgegenzuwirken. Die Kosten beliefen sich jeweils auf 3 bis 5 Millionen Franken.
Möglichst wenig Leitungen im Boden
Würden die Leitungen im Boden verlaufen, könnte sich die Netzbetreiberin diese Aufwände und Kosten sparen. Laut Swissgrid entstünden dadurch aber neue und deutlich grössere Probleme. Nur 42 Kilometer ihres Netzes verlaufen bis jetzt unterirdisch, weitere 250 Kilometer folgen.
«Jeder weitere Kilometer muss gut überlegt sein», sagt Jan Schenk, Mediensprecher von Swissgrid. Zu viele Erdkabel würden die Netzstabilität gefährden, wie eine vom Unternehmen in Auftrag gegebene Studie zeige. Zudem seien die Freileitungen unter dem Strich günstiger und einfacher zu unterhalten als Erdkabel.
Verein stellt sich dagegen
Ganz anderer Meinung ist Heini Glauser. Der Energie-Ingenieur ist Geschäftsleiter des Vereins Hochspannungsleitungen unter den Boden HSUB. Er stört sich daran, dass Freileitungen in der dicht besiedelten Schweiz durch Siedlungsräume führen. «Dieser Zustand ist skandalös, die Leitungen müssen in den Boden.» Auch die Landschaft würde so geschützt.
Für die von Swissgrid genannten Probleme gebe es technische Lösungen. Zudem bewege sich die Stromversorgung weltweit in Richtung Erdkabel.
Ob Stromleitungen in die Luft oder in den Boden gehören, darüber wird im Herbst auch das nationale Parlament diskutieren. Dann berät es den sogenannten Netzexpress, der den Ausbau des Schweizer Stromnetzes beschleunigen will.
Was bereits jetzt sicher ist: Bei rund 12’000 Strommasten im ganzen Land wird Swissgrid noch lange damit beschäftigt sein, das Netz im Sommer zu revidieren.