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Schweizer Stromversorgung Arbeit in luftiger Höhe: So revidiert Swissgrid ihre Strommasten

Die Arbeit ist aufwendig. Trotzdem hat die Schweizer Netzbetreiberin ihre Leitungen lieber in der Luft als im Boden.

Göschenen im Kanton Uri, in der Nähe des Gotthard-Nordportals: Über einem Strommast der Schweizer Netzbetreiberin Swissgrid schwebt ein Helikopter. Darunter hängen zwei Männer in Helm und Leuchtjacke an einem langen Seil. Sie haben grosse Plastikkugeln bei sich, sogenannte Flugwarnkugeln.

Arbeiter in Sicherheitsausrüstung auf Seil in Waldhöhe.
Legende: Die Flugwarnkugeln haben etwa einen Meter Durchmesser und wiegen einige Kilogramm. Keystone/Urs Flüeler

Die beiden Männer hängen sich an der ausgeschalteten Stromleitung ein und tauschen eine verblichene Kugel gegen eine neue in knalligem Orange aus. Sie dient Gleitschirmfliegerinnen oder der Rega als Warnung vor den sogenannten Freileitungen, die hier in der Luft hängen.

Arbeiter auf Strommast vor bewaldetem Berg.
Legende: Normalerweise fliesst Starkstrom durch die Höchstspannungsleitungen. Für die Arbeiten sind sie vom Netz abgehängt. Keystone/Urs Flüeler

Ein Stück weiter stehen Arbeiter hoch oben auf einem Strommast. Sie tragen eine neue Schicht grüner Farbe auf, die den Mast vor Rost schützt.

Wann muss eine Freileitung ersetzt werden?

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Laut Swissgrid muss eine Stromleitung in der Luft ungefähr alle 80 Jahre ersetzt werden. Der Rostschutz der Masten muss alle 30 Jahre erneuert werden. Die Flugwarnkugeln werden nach einigen Jahren ausgetauscht.

Jeden Sommer saniert Swissgrid einen Teil ihres 6700 Kilometer langen Höchstspannungsnetzes, um der Abnutzung durch Wind und Wetter entgegenzuwirken. Die Kosten beliefen sich jeweils auf 3 bis 5 Millionen Franken.

Möglichst wenig Leitungen im Boden

Würden die Leitungen im Boden verlaufen, könnte sich die Netzbetreiberin diese Aufwände und Kosten sparen. Laut Swissgrid entstünden dadurch aber neue und deutlich grössere Probleme. Nur 42 Kilometer ihres Netzes verlaufen bis jetzt unterirdisch, weitere 250 Kilometer folgen.

Unterirdische Leitung im Gotthardtunnel

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Strommast in bergiger Landschaft mit Gipfeln im Hintergrund.
Legende: Die Strommasten auf dem Gotthardpass werden verschwinden. Keystone/Gaetan Bally

Das bisher längste unterirdische Stromkabel der Schweiz entsteht in der zweiten Röhre des Gotthard-Strassentunnels, der momentan gebaut wird. Swissgrid wird 18 Kilometer Leitung unter dem Pannenstreifen verlegen. «Hier lassen sich Infrastrukturen bündeln, das ist sinnvoll», sagt Mediensprecher Jan Schenk zur Frage, warum Swissgrid auf Erdleitungen setzt.

Durch die Erdleitung kann die Freileitung über den Gotthard zurückgebaut werden, 70 Strommasten werden verschwinden. Die Arbeiten starten voraussichtlich 2028.

«Jeder weitere Kilometer muss gut überlegt sein», sagt Jan Schenk, Mediensprecher von Swissgrid. Zu viele Erdkabel würden die Netzstabilität gefährden, wie eine vom Unternehmen in Auftrag gegebene Studie zeige. Zudem seien die Freileitungen unter dem Strich günstiger und einfacher zu unterhalten als Erdkabel.

Verein stellt sich dagegen

Ganz anderer Meinung ist Heini Glauser. Der Energie-Ingenieur ist Geschäftsleiter des Vereins Hochspannungsleitungen unter den Boden HSUB. Er stört sich daran, dass Freileitungen in der dicht besiedelten Schweiz durch Siedlungsräume führen. «Dieser Zustand ist skandalös, die Leitungen müssen in den Boden.» Auch die Landschaft würde so geschützt.

Für die von Swissgrid genannten Probleme gebe es technische Lösungen. Zudem bewege sich die Stromversorgung weltweit in Richtung Erdkabel.

Arbeiter verlegt Kabel in einem Erdaushub.
Legende: Auf dem Bözberg im Kanton Aargau wurde 2020 die erste unterirdische Hochspannungsleitung der Schweiz in Betrieb genommen. ZVG/SWISSGRID

Ob Stromleitungen in die Luft oder in den Boden gehören, darüber wird im Herbst auch das nationale Parlament diskutieren. Dann berät es den sogenannten Netzexpress, der den Ausbau des Schweizer Stromnetzes beschleunigen will.

Was bereits jetzt sicher ist: Bei rund 12’000 Strommasten im ganzen Land wird Swissgrid noch lange damit beschäftigt sein, das Netz im Sommer zu revidieren.

Regionaljournal Zentralschweiz, 4.8.2025, 17:30 Uhr ; 

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