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Gehen die Corona-Toten in der Aufbruchstimmung vergessen?
Aus Echo der Zeit vom 22.02.2022. Bild: Keystone
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Seelsorge in der Schweiz Theologin: «Wir sind verletzliche, aufeinander angewiesene Wesen»

Aufbruchstimmung ist in der Schweiz spürbar. Doch für viele ist nichts mehr, wie es war: Corona hat vielen den Liebsten oder die Liebste genommen.

Sinkende Corona-Fallzahlen, weitgehend abgeschaffte Massnahmen, bald ein lockender Frühling: Doch für viele Menschen in der Schweiz geht es trotz dieser freudigen Nachrichten nicht mehr genauso weiter wie vor der Pandemie. Sie haben in den letzten zwei Jahren einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige verloren.

Die Corona-Toten rücken in dieser Aufbruchstimmung zunehmend in Vergessenheit. Das mache es für diejenigen in Trauer nicht einfach, weiss die Theologin Isabelle Noth. Sie ist Professorin für Seelsorge an der Universität Bern.

«Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen»

«Es ist jetzt gerade so eine Art ‹die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen›. Das ist keine einfache Situation, vor allem, weil die Lockerungen dermassen schnell kamen.» Die einen würden verständlicherweise jubeln. Zugleich wünschte man sich etwas Rücksicht: «Auf diejenigen, die wirklich in Trauer sind, und diejenigen, die nach wie vor besonders gefährdet sind.»

Einige Betroffene fordern einen nationalen Gedenktag oder Kerzen in den Fenstern. Theologin Noth würde ein solches Zeichen der Solidarität begrüssen: «Als Zeichen, dass man sich bewusst ist, dass viele Menschen nach wie vor selbstverständlich in Trauer sind.» Es helfe den Trauernden, wenn das Umfeld und die Gesellschaft wahrnehmen und anerkennen würden, dass man noch trauere.

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Aus dem Archiv: Schweiz gedenkt der Corona-Opfer
Aus Tagesschau vom 05.03.2021.
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Getrauert oder gelitten haben auch viele Schweizer Kinder und Jugendliche während der Pandemie. Das hat die Seelsorge gefordert. «Wir haben als Zwischenbilanz der Pandemie feststellen müssen, dass wir im Bereich der Kinder- und Jugendseelsorge Defizite haben», sagt Noth.

Man habe gemerkt, dass im Bereich der Kinder- und Jugendlichen die psychiatrische Grundversorgung nicht in dem Ausmass gewährleistet gewesen sei, wie es wünschenswert wäre.

Die Seelsorge habe oftmals einspringen müssen. «Wir sind dran, das zu beheben. Es muss eine klare, schweizweite Kinder- und Jugendseelsorge bestehen. Der Fokus auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen muss gestärkt werden.»

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Aus dem Archiv: Kinder und Jugendliche leiden in der Pandemie
aus Echo der Zeit vom 05.12.2021. Bild: Keystone-SDA
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Diese Unterstützung sei jedoch ein gesamtgesellschaftlicher Komplex, der in der Pandemie deutlich geworden sei. «Hier müssen wir als gesamte Gesellschaft Fortschritte machen.» Dazu hat die Seelsorge bereits Schritte geplant.

Vorgesehene Änderungen

So brauche es eine spezifische Ausbildung, nennt die Theologin einen geplanten Schritt. «Personen müssen die nötigen spezifischen Kompetenzen besitzen, um professionelle Beziehungen aufbauen zu können – insbesondere mit Kindern und Jugendlichen. Das wird in Kürze vorhanden sein.»

An einer Schulwand hängend Zeichnungen von Strichmännchen, die den Abstand einhalten.
Legende: Abstand, Masken, Isolation, Ängste: Die Pandemie machte auch Kindern und Jugendlichen zu schaffen. Keystone/Alessandro Della Valle

Weiter müsse klar sein, was die religionspsychologischen, was die praktisch-theologischen Erkenntnisse im Bereich Kinder- und Jugendforschung sind; und wie man die umsetzen kann. Auch das Image der Kirchgemeinden soll sich verändern: «Sie sollen nicht mehr primär nur mit leeren Kirchenbänken assoziiert werden, sondern auch mit ihrem seelsorglichen Engagement.»

Pandemie weckt Urängste

Die Schweizer Seelsorge zieht also Konsequenzen aus der Pandemie. Auch, weil uns als Gesellschaft der Tod näher gerückt ist. «Aufgrund der pandemiebedingten Todesfälle, aber auch darüber hinaus», sagt Isabelle Noth. «Schon nur das Hören und das Konfrontiertwerden mit einem Virus, das tödlich sein kann, weckt Urängste.»

Schon nur das Hören und das Konfrontiertwerden mit einem Virus, das tödlich sein kann, weckt Urängste.
Autor: Isabelle Noth Theologin und Professorin für Seelsorge, Universität Bern

Das rückt das Thema Tod und Sterben in den Vordergrund. «Alle haben merken müssen: Wir sind verletzliche Wesen und wir sind aufeinander angewiesen.»

Isabelle Noth

Isabelle Noth

Evangelische Theologin

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Noth ist Professorin für Seelsorge, Religionspsychologie und Religionspädagogik an der Universität Bern.

Echo der Zeit, 22.02.22, 18 Uhr;

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